Aktuelles zur Völkerwanderung am 19. Dezember 2018


Von historischen Erfahrungen und politischen Illusionen –
Migration -
Staatlichkeit -
Die europäische Dimension -
Die Entwicklung der politischen Kultur in Deutschland -
Eine Revolte gegen die Eliten Europas? -


Wir stehen vor den Trümmern unserer Erwartungen. Im November 1990 sah die Charta von Paris ein „Zeitalter der Demokratie, des Friedens und der Einheit" voraus. 1992 bekannte sich der Vertrag von Maastricht zur „immer engeren Union der Völker Europas", und Helmut Kohl erwartete, Großbritannien werde binnen weniger Jahre den Euro einführen. Aber auch dies: als Gerhard Schröder 2005 den Bundestag auflösen ließ und die bundesdeutsche Arbeitslosigkeit Rekordhöhen erreichte, war allenthalben vom unaufhaltsamen „Abstieg eines Superstars" die Rede.

In 2006 (3. Platz) gingen wir noch davon aus, Franz Beckenbauer habe das Sommermärchen nicht nur eigenhändig, sondern auch ehrenamtlich gezaubert. Wer hätte damals erwartet, was kommen würde: Weltfinanzkrise, Euro-Schuldenkrise, Fukushima, die Energiewende, der Ukraine-Konflikt mit dem europäischen Präzedenzfall, dass ein Staat das Territorium eines anderen faktisch annektiert, der „arabische Frühling" und Gewalteskalation im Nahen Osten mit der Folge von Massenzuwanderungen nach Europa, schließlich der britische Austritt aus der EU und eine Welle des Populismus in der westlichen Welt mit Affinitäten zum neuen Russland.
 
Seit 2008 sieht sich Europa mit dem Einbruch einer Serie von unerwarteten Ereignissen konfrontiert, der zum Regieren im Krisenmodus zwingt. Grundlegende politische Veränderungen, von der Energiewende über den Aufstieg der EZB zum europäischen key player (Spielmacher) bis zur Massenzuwanderung, finden seitdem überwiegend als Reaktion auf äußere Ereignisse statt.

Das heißt im Umkehrschluss: wir haben keine Ahnung, was demnächst sein wird. Akute Probleme wie die Krise der Währungsunion und die Massenzuwanderung nach Europa kokeln auf Sparflamme vor sich hin – ob sie verschwunden sind oder ob sie in verschärfter Form wiederkehren werden, ist eine ebenso offene Frage wie die, ob der Einbruch von äußeren Ereignissen anhalten wird oder nicht. Die Zukunft ist aller historischen Erfahrung nach in doppelter Weise anders: sie ist anders als die Gegenwart, und sie wird anders, als wir sie heute erwarten. Je größer die Selbstgewissheit, mit der Prognosen gestellt werden, desto skeptischer sollten wir sein.

Niemand kann Prognosen zur Absorptionsfähigkeit von Migranten in einzelnen Gesellschaften oder zur Wirkung von Integrationsmaßnahmen erwarten, sie sind schlicht nicht möglich. Daher möchte ich hier vor einem historischen Hintergrund fünf aktuelle Aspekte ansprechen:
 

  1. Migration
  2. Staatlichkeit
  3. Die europäische Dimension
  4. Die Entwicklung der politischen Kultur in Deutschland
  5. Eine Revolte gegen die Eliten Europas?


1. Migration

So lange der Mensch gehen kann, wandert er. Migration gab es schon immer, vor allem aus zwei Gründen: um Nahrung und Arbeit zu finden und um vor physischer Bedrohung zu fliehen. Weil es Migration schon immer gab, greift die politische Diskussion gern zu historischen Beispielen. Genau besehen stellen sich Verweise auf die Einwanderung von Arbeitern im pharaonischen Ägypten, auf die Völkerwanderung und den Untergang des Römischen Reiches oder auf die Integration der deutschen Ostvertriebenen nach 1945 allerdings als verkürzte Analogien (Gleichheit von Verhältnissen) heraus, die obendrein je nach Standpunkt politisch instrumentalisiert werden.
 
Migration gab es schon immer – und schon immer in ganz unterschiedlichen Formen: von Eliten oder von Geringqualifizierten, auf der Suche nach Arbeit oder nach physischem Schutz, dauerhaft oder temporär, freiwillig oder erzwungen, mit fließenden Grenzen. Die USA, das klassische Einwanderungsland, waren das Ziel der Sehnsüchte, den amerikanischen Traum zu leben – und das Ziel der Sklaventransporte aus Afrika. Ängste der weißen Amerikaner vor der Sklavenbefreiung und der Emanzipation der Afroamerikaner im 19. und 20. Jahrhundert erinnern dabei an die Untergangsszenarien angesichts islamischer Zuwanderung nach Europa im 21. Jahrhundert.

Europa war bis ins 20. Jahrhundert hinein ein Auswanderungskontinent. Erst in den letzten weniger als hundert Jahren kehrte dieser Trend sich um. Kolonialwanderungen im Zuge der Dekolonisierung gingen an Deutschland weitgehend vorbei. Dafür stand Deutschland im Zentrum von Flüchtlingswanderungen: von Vertriebenen aus den Ostgebieten, von Flüchtlingen aus der DDR bis zu den Bürgerkriegsflüchtlingen aus dem zerfallenen Jugoslawien in den neunziger Jahren. Zum Einwanderungsland, freilich aus Versehen, wurde die Bundesrepublik durch den Zuzug der „Gastarbeiter" aus Südeuropa und der Türkei, von denen viele nicht, wie erwartet, wieder gingen, sondern, durch den Anwerbestopp von 1973 vor die Wahl gestellt, blieben und ihre Familien nachholten. Zwischen 1961 und 1974 versechsfachte sich die Zahl in der Bundesrepublik lebenden Ausländer von knapp 700.000 auf über 4,1 Millionen.
 
Das Problem vieler Türken in Deutschland war und blieb die Verbindung von ethnischer, kultureller und religiöser Fremdheit mit sozialer Randständigkeit. Nach wie vor wohnen viel zu wenige Türken in den Wohngebieten deutscher Mittelschichten. Das ist nicht allein ein deutsches Phänomen. Probleme mit geringqualifizierten Migranten haben fast alle traditionellen Zuwanderungsgesellschaften: die USA, Frankreich, Großbritannien oder die Niederlande – am wenigsten Australien oder Kanada. Diese Länder praktizieren freilich ein rigides Zuwanderungsregime und damit das Gegenteil von Deutschland im Herbst 2015.
 
All das heißt: es gibt nicht die Migration und nicht Migranten als Kollektivsubjekt, und auch der „Migrationshintergrund" ist eine reichlich unscharfe Kategorie, liegen doch soziale Welten zwischen der Jura studierenden Tochter eines kanadischen Klimaforschers in Deutschland und einem Sohn bildungsferner türkischer Eltern ohne Schulabschluss. Die Geschichte hält keine eindeutigen Lehren bereit und keine einfachen Rezepte, wie wir „es" schaffen können. Die historische Betrachtung erlaubt es aber, einen Schritt zurückzutreten, Abstand von hysterischem Alarmismus ebenso wie von illusorischem Wunschdenken zu nehmen und einen Blick auf den größeren Zusammenhang zu gewinnen.
 
Dazu zählt Paul Colliers Maßgabe, ein großzügiges, aber auf klar definierte Gruppen und Länder begrenztes Asylrecht mit eindeutigen Regeln für eine qualifizierte Einwanderungspolitik zu verbinden. Auch die realistische Offenheit gehört für Befunde wie die von Ruud Koopmans dazu, der weltweit besondere Probleme von Muslimen bei der Integration in den Arbeitsmarkt festgestellt hat oder dysfunktionale Wirkungen des Wohlfahrtsstaates auf viele Migranten herausstellt.

 
2. Staatlichkeit
 
Ein besonderes deutsches Problem liegt hingegen in der Emotionalisierung und der Moralisierung der Debatte – angefangen mit dem Begriff „Flüchtlinge" bzw. politisch korrekt „Schutzsuchende" für alle Zuwanderer. Fremde, die das Territorium eines anderen Landes betreten, müssen aber eine klare soziologische und juristische Bestimmung haben. Für diese Fremden gibt es fachlich sechs Einordnungs-Kategorien:
 
  1. Gastarbeiter,
  2. Migranten als Einwanderer (erwünscht),
  3. Migranten als Zuwanderer (unerwünscht),
  4. Illegale Armutsflüchtlinge (unerwünscht),  
  5. Kriegsflüchtlinge nach internationalem Recht und
  6. politisch Verfolgte Menschen, die das Recht haben, nach Art. 16 GG Asyl zu bekommen.

Diese Kategorien sind nicht vertauschbar; ein Asylant ist zum Beispiel kein Migrant. Eine humanitäre Politik kann keine Einwanderungspolitik ersetzen. Dieser internationale Standard des Wissens über diese Thematik scheint heute in Europa nicht zu gelten, weil es der links-grünen Ideologie widerspricht.


Während andere Länder neutraler von „Migranten" sprechen, setzten moralisierende Gesinnungsethiker die normative Berechtigung der Zuwanderung bereits voraus. Im Global Compact for Migration ist das ja auch quasi als Menschenrecht definiert. Diese Sprache erschwert die Unterscheidung zwischen Bleibeberechtigten und Nichtberechtigten, geschweige denn die Durchsetzung der Rückführung. Und sie erschwert zugleich die staatliche Handlungsfähigkeit, wie es in der sinngemäßen Aussage von Frau Merkel im Herbst 2015 zum Ausdruck kam, der Staat könne seine Grenzen nicht sichern.

Das Problem war dabei weniger ein faktischer und temporärer, sondern der offen kommunizierte strukturelle Kontrollverlust des Staates – wohlgemerkt des modernen Rechtsstaates, der auf allgemein verbindlichen Regeln beruht und damit ein Herzstück der freiheitlich-demokratischen Ordnung darstellt. Das Problem der Verbindlichkeit rechtlicher Regeln betrifft auch die europäische Ebene und war dort schon in der Euro Schuldenkrise aufgetreten, in der die Verträge, wenn nicht gebrochen, so doch bis zum Bersten gebogen worden waren. Dabei stießen unterschiedliche Rechtskreise und Rechtsauffassungen aufeinander. Die angelsächsische Vorstellung sieht Regeln für den Normalfall vor; der Notfall ist etwas anderes. Das deutsche Rechtsverständnis hingegen geht aus historischer Erfahrung davon aus, dass Regeln gerade im Ausnahmezustand funktionieren müssen.

Damit sind grundlegende Fragen und die außervertraglichen Voraussetzungen der EU als Rechtsgemeinschaft aufgeworfen. In der Euro-Schuldenkrise zeigte sich, dass die Institutionen der Währungsunion nicht funktionieren. Im Rahmen der Völkerwanderung kam hinzu, dass die nicht funktionierenden europäischen Institutionen mit nationalem Recht kollidierten. Der Hybrid aus Schengen-Abkommen, nicht funktionierender Dublin-Verordnung und deutschem Asylrecht führte Ende 2015 zu einer rechtlichen Blockade. Beide Krisen sind einstweilen durch die Macht des Faktischen zurückgedrängt. Gelöst sind sie nicht.


3. Die europäische Dimension
 
Und die europäische Dimension der Probleme reicht weiter. Die Völkerwanderung hat eine gewaltige Entsolidarisierung innerhalb der Europäischen Union offenbart, und zwar von allen Seiten. Die Deutschen kritisieren die mangelnde Bereitschaft fast aller europäischen Staaten, Flüchtlinge aufzunehmen. Die anderen kritisieren den deutschen Alleingang und haben den Eindruck, Deutschland habe die Migranten regelrecht eingeladen und den Zustrom verstärkt. Wir stoßen damit auf die europäischen Paradoxien deutscher Kanzler:

Gerhard Schröder setzte mit der Agenda 2010 die größte Sozialstaatsreform in der jüngeren Geschichte der Bundesrepublik ins Werk und demolierte zur gleichen Zeit den europäischen Stabilitätspakt.

Angela Merkel setzte alles daran, die europäischen Institutionen – die Währungsunion und das Schengen-Abkommen – zu bewahren und beschädigte zugleich die politische Kooperation innerhalb Europas.

Unterdessen gehen die Perspektiven immer weiter auseinander. Was die Deutschen zum „humanitären Imperativ" erklären, erscheint nicht nur Victor Orban als „moralischer Imperialismus".

Die Deutschen empfinden ihren Beitrag zur Euro-Rettungspolitik als Akt der Solidarität, die Griechen hingegen als deutsches Diktat.

Und im Ausland wird als „Austerität" kritisiert, was deutsche Ordnungspolitik als Haushaltskonsolidierung schätzt. Die Gefahr ist nicht von der Hand zu weisen, dass innerhalb der EU immer weniger eine gemeinsame Sprache gesprochen wird. Die Probleme sind nicht klar definierte Interessenkonflikte, denn die lassen sich aushandeln.

Das Problem ist die Kombination aus dem Strukturproblem der deutschen Stärke, auch aufgrund des schwachen Euros, in Europa und unvereinbaren gegenseitigen Wahrnehmungen, die zu allem Übel moralisch aufgeladen werden. Jetzt rächt es sich, dass die ever closer union seit den neunziger Jahren nach dem Motto „vorwärts immer, rückwärts nimmer" vorangetrieben wurde und die politisch-kulturellen Differenzen zwischen den europäischen Staaten nicht hat wahrhaben wollen.

Eine Idee, so die historische Lehre, wird immer dann schädlich, wenn sie sich von den Realitäten löst. Das gilt gerade auch für die Entwicklung der politischen Kultur in Deutschland.


4. Die Entwicklung der politischen Kultur in Deutschland

Um es in aller Deutlichkeit zu sagen: die deutsche Flüchtlingspolitik im Herbst 2015 war ein außerordentlicher Akt der Humanität, auch und gerade in historischer Perspektive. Rein aus humanitären Gesichtspunkten betrachtet, war es auch so.

Wenn es freilich hieß, Deutschland bekomme „Menschen geschenkt", „…weil wir auch Menschen hier brauchen, die in unseren Sozialsystemen zu Hause sind und sich auch zu Hause fühlen." und wenn führende Vertreter der deutschen Wirtschaft frohlockten, unkontrollierte Massenzuwanderung werde den deutschen Fachkräftemangel beheben, dann fühlte man sich schon an Heinrich Heine erinnert: „Franzosen und Russen gehört das Land das Meer gehört den Briten. Wir aber besitzen im Luftreich des Traums die Herrschaft, unbestritten."

Auch unser Recht als Lebensgemeinschaft wird uns immer mehr von den moralisierenden Gesinnungsethikern genommen. Wir als Bürger Deutschlands wurden nicht gefragt, ob wir jeden Migrationswilligen aufnehmen wollen. Welcher dann laut Global Compact for Migration auch das Recht auf unsere gesamte Infrastruktur haben soll, inklusive Zugriff auf unser Gesundheits- und Sozialsystem. Im Gegenteil, wir werden tagtäglich manipuliert, belogen, bevormundet und sogar unterdrückt von den moralisierenden Gesinnungsethikern. So weit ist es schon gekommen hier bei uns. Wer hätte das vor ein paar Jahren kommen sehen? Ich jedenfalls nicht.

Immer mehr findet Gesinnungskontrolle statt konfliktfreiem Umgang mit Meinungsverschiedenheiten statt. Politische Positionen treten nicht mehr als Kampf für Interessen auf, sondern als Kontrolle von Gesinnung. Grün-linke Politik ist vor allem Moralpolitik geworden. Die sozialen Kontakte werden einer Gesinnungskontrolle unterzogen, die politisch korrekte Sprechweise verhängt scharfe Sanktionen für Übertretungen, und eine allgegenwärtige Gängelei ersetzt den Streit über konträre Meinungen. So werden Lesungen lieber abgesagt, weil in den Buchhandlungen auch rechte Bücher verkauft werden, und Freundschaften beendet, weil die Frage gestellt wird, wie offene Grenzen mit dem Sozialstaat vereinbar sein sollen.

Eine Waldorfschule hat sich entschieden, das Kind eines Berliner AfD-Abgeordneten nicht aufzunehmen. Hier wird ein Kind in Sippenhaft genommen für die Ansichten eines Mannes, für die ein sechsjähriges Kind beim besten Willen nichts kann. Wird dann auch der Hausarzt diffamiert, nur weil er die Frau eines Andersdenkenden behandelt? Sollen demnach Andersdenkende überhaupt noch ein Recht auf Bildung, Gesundheit, Arbeit, Rente haben, wenn die „Gesinnung" nicht die eines moralisierenden Gesinnungsethikers ist?

Moral dient vor allem der öffentlichen Zurschaustellung der eigenen Güte und dem Recht, abweichende Meinungen als böse zu beurteilen und sie damit aus dem öffentlichen Raum auszugrenzen. Parteipolitisch hat der progressive Neoliberalismus (Bezeichnung einer breiten und heterogenen theoretischen Strömung) in Deutschland seine Erfüllung in Schwarz-Grün gefunden. Hier rückt die Mitte zusammen und sichert sich ihre Insel des Wohlstands in Gestalt einer gesinnungspolizeilich bewachten gated community (geschlossene Gemeinschaft), über deren Eingang steht: Wir sind die Guten. Die Eigentümer setzen sich die Maske des wohlmeinenden Mitbürgers auf und tarnen ihre Privilegien als allgemeine moralische Werte. Man ist nicht Partei, sondern die Stimme der Vernunft.

Solange Andersdenkende weiterhin moralisch eingeschüchtert werden oder ihnen nur eine Alternative für Deutschland angeboten wird, muss sich niemand über den rechten Zeitgeist wundern.

Jeder sollte dazu mal folgende Fragen für sich beantworten:

  • Soll auch weiterhin der römische Rechtsgrundsatz gelten, dass niemand über seine Fähigkeiten hinaus verpflichtet werden kann?
  • Ist „ultra posse" (über das Können hinaus) für Deutschland gewollt?
  • Gibt es eine moralische Pflicht zur Aufnahme aller Zuwanderer?
  • Gibt es ein allgemeines Menschenrecht, das da lautet: Wir wandern jetzt in einen Staat unserer Wahl ein und wollen dann lebenslang versorgt werden?
  • Welchen Beitrag zu ihrer Integration leisten die Migranten?
  • Können Migranten ihr Aufnahmebegehren zu einem moralischen Anspruch oder einer Gerechtigkeitsfrage machen?

Wir sehen doch jetzt schon, dass wir es absolut nicht schaffen, die meisten Menschen, die aus komplett anderen Sozialisationen und Kulturkreisen zu uns gekommen sind, zu integrieren. Die finanziellen Kosten, die durch die weitergeführte Implementierung des Migrationspakts entstehen werden, will ich gar nicht erst benennen. Ich möchte vor allem auf die gesellschaftlichen Folgen hinweisen. Diese werden in absehbarer Zeit schwerwiegend sein und unsere säkulare freiheitliche Gesellschaft unwiderruflich umkrempeln.

Es ist doch klar, dass auch künftig vor allem Menschen aus Afrika, dem Mittleren und Nahen Osten zu uns kommen und somit die konträre Sozialisation der verschiedenen Kulturen weiter aufeinanderprallen. Als Staatsvolk haben wir aber ein Recht darauf, unsere Art des Lebens, unseren Wertekanon, unsere kulturelle Identität und auch unsere Sprache für die Zukunft zu pflegen und zu erhalten.

Die von uns gewählten Politiker haben nur eine Pflicht und Aufgabe: Nämlich unsere Interessen und die Prinzipien unserer Lebensgemeinschaft zu schützen und zu verteidigen. Sie machen aber genau das absolute Gegenteil.

Deutschland tut gut daran, eine kritische Bestandsaufnahme der politischen Öffentlichkeit im Herbst 2015 vorzunehmen. Die Volksfeststimmung der Willkommenskultur war neben der humanitären Leistung zugleich die Selbstapotheose (Selbsterhebung eines Menschen zu einem Gott oder Halbgott) einer deutschen Schuld- und Sühnekultur, die zudem zum internationalen Maßstab erhoben wurde. Einmal mehr konnte die Welt meinen, sie solle am deutschen Wesen genesen.

Hinzu kommen die selektiven und suggestiven Bilder vieler „Qualitätsmedien" samt einer moralischen Aufladung, die nach der Kölner Silvesternacht zerplatzte und einen enormen Vertrauensverlust hinterließ. Die epidemischen Messerverbrechen und die tagtäglichen Missbräuche oder gar die Tötung von Frauen durch alleinstehende junge Männer sind auch nicht eben vertrauensfördernd. So darf man sich auch nicht wundern, dass Deutschland neben dem freundlichen Gesicht auch die hässliche Fratze gewalttätiger Fremdenfeindlichkeit zeigt und eine neuartige Polarisierung der politischen Öffentlichkeit folgt. Sie reicht auf der rechten Seite des politischen Spektrums von bürgerlichem Protest gegen die CDU bis hin zu völkischem Denken. Zugleich formiert sich eine neue intellektuelle Rechte, während eine bürgergesellschaftliche Mitte erodiert, die vor lauter Alternativlosigkeit sprachlos geworden ist und als Forum bürgergesellschaftlicher Meinungsbildung ausfällt. Dieser Befund richtet sich insbesondere an die CDU, denn hier liegt ihr gesellschaftlich-politischer Integrationsauftrag, und hier hat sie versagt. U. a. ist sie durch Themenklau von der SPD zu einem Sprachrohr des grün-linken Mainstreams verkommen.

Die Polarisierung der politischen Öffentlichkeiten in Europa erinnert unterdessen sehr ungut an die Zwischenkriegszeit, als die parlamentarischen Demokratien in Europa reihenweise in autoritäre Systeme umkippten.

Das führt zurück zu den großen historischen Linien. Die deutsche Geschichte des 20. Jahrhunderts war eine Geschichte gegen alle Vorzeichen: Deutschland verlor zwei Weltkriege und ein Drittel seines Territoriums. Es erlebte zwei Hyperinflationen, die weite Teile seiner Bevölkerung ruinierten. Es brachte eine brutale Diktatur hervor, die weite Teile der Eliten aus dem Land trieb und einen irreversiblen brain drain (intellektueller Aderlass) verursachte. Mit dem Holocaust beging Deutschland das Menschheitsverbrechen schlechthin. Das Land wurde geteilt, zwei Mal vergemeinschaftete die Bundesrepublik nach 1949 ihre wesentlichen Machtmittel, und nachdem Bundesrepublik und DDR 1990 wiedervereinigt worden waren, schien sich das Land mit dem „Aufbau Ost" endgültig übernommen zu haben. Noch in 2005 schien der endgültige „Abstieg eines Superstars" eine ausgemachte Sache. Und bis 2017 hatte sich offenbar das Wort des britischen Philosophen (Fußballer) Gary Lineker bewahrheitet: Fußball ist ein Sport, in dem 22 Männer einem Ball hinterherlaufen, und am Ende gewinnen die Deutschen.
 
Das heißt: es gibt wenige Gründe für Kulturpessimismus und Verfallsprognosen. Das ist allerdings auch kein Plädoyer für Nonchalance nach der Devise „et hätt noch immer jot jejange" – diese schmerzhafte Erfahrung hat nicht nur der 1. FC Köln gemacht.

Der Terroranschlag in Straßburg ist doch ein Grund für Kulturpessimismus. Dem Irrsinn der Tat folgte der Aberwitz der Worte. Die Kontrollen an der deutsch-französischen Grenze bei Kehl wurden daraufhin verstärkt, ohne Rücksicht auf das Votum der Kanzlerin, dass sich Grenzen nicht kontrollieren lassen. Sie überließ es ihrem Sprecher, die unpassenden Worte zu finden: „Welches Motiv auch immer hinter den Schüssen steckt: Wir trauern um die Getöteten und sind mit unseren Gedanken und Wünschen bei den Verletzten...".

Ja, was für Motive könnten es gewesen sein? Wollte der Täter ein Zeichen gegen den Klimawandel setzen? Gegen die Vermüllung der Meere oder die Nöte der Eisbären? Wer macht denn so was? Und war da nicht schon mal was in der Art? In London, Paris, Brüssel, Berlin, Nizza, Kopenhagen und einigen anderen Orten? Die vielen Opfer lassen grüßen!

Auch das passt zum Kulturpessimismus: Im Bamberger Ankerzentrum hatten Geflüchtete aus Eritrea randaliert, Feuer gelegt und Polizisten mit Tötungsabsicht angegriffen. Und aus Bremen kam die frohe Kunde, dass aus Rücksicht auf muslimische Frauen eine männliche Kartoffel seine verdächtig blonde Tochter nicht zum Kinderschwimmen begleiten durfte.

Im Ernst: Geschichte gestattet keine Prognosen. Aber sie vermittelt Erfahrungen: Immer wieder gibt es in der modernen Welt kein eindeutiges falsch und richtig und keine einfachen Lösungen – weder in der Flüchtlings-, noch in der Integrationspolitik.

Und noch einmal: Eine Idee wird immer dann schädlich, wenn sie sich von den Realitäten löst – von der Verabsolutierung des Marktes über die ever closer union
bis zu „wir schaffen das". „Das" bezeichnet eine Fülle von Herausforderungen auf unterschiedlichen Ebenen.

Was dabei nicht hilft, sind technokratische Selbstgewissheit und volatile Alternativlosigkeit, verselbständigte Leerformeln oder ideologisiertes Wunschdenken.

Stattdessen ist zwingend Realismus erforderlich und reversible (umkehrbare) Lösungen, Kreativität und Offenheit – und vor allem die Bereitschaft zu wirklich offenen, moralisch abgerüsteten Debatten, ja Debatten, die selbstgerechte Moralisierung als Debattenverweigerung zurückzuweisen, und die demokratische Meinungsbildung durch Rede und Gegenrede zwischen unterschiedlichen Positionen herbeiführen, um die drohende Erosion der bürgergesellschaftlichen Mitte zu verhindern.

Das ist es, was Deutschland heute benötigt. Sprachverweigerung der Gesinnungsethiker spalten unser Land, sähen Hass und damit Gewalt!
 

5. Eine Revolte gegen die Eliten Europas?

Vielleicht ist es das - der Beginn des Widerstandes der europäischen Öffentlichkeit gegen das katastrophale multikulturelle und globalistische Projekt der Eliten.

Seit Jahren wissen diejenigen von uns, die sich darüber Sorgen machen, dass letztendlich, wenn die Regierungen Europas ihren Kurs nicht drastisch ändern, irgendetwas nachgeben muss. Bislang sind die Einheimischen größtenteils bemerkenswert zahm gewesen. Sie haben viel geschluckt. Ihre politischen Eliten haben ihre Länder mit einer großen Zahl von Zuwanderern aus dem Nahen Osten und Afrika geflutet, von denen eine unverhältnismäßig große Zahl deutlich gemacht hat, dass sie keinerlei Absicht haben, sich ihren Aufnahmegesellschaften vollständig anzuschließen oder etwas für sie beizutragen, sondern dass sie sich damit begnügen, zu nehmen, zu schädigen, zu beschädigen und zu zerstören, und dass sie auf lange Sicht dazu entschlossen sind, zu erobern und zu herrschen.

Niemand hat die Bürger Europas jemals gefragt, ob sie wollen, dass ihre Länder auf diese Weise radikal verändert werden. Diese Transformation hat sich im Verlaufe der Jahre noch verstärkt. Irgendwann würden die Ureinwohner Europas sicherlich reagieren.

Doch wie würde das aussehen? Diejenigen, die sich mit diesen Themen beschäftigen, haben sich sicher ungezählte Stunden lang mit dieser Frage auseinandergesetzt. Was wird noch passieren? Einige prophezeiten die Balkanisierung. Schon jetzt gibt es No go Areas - Enklaven in und um Großstädte, in denen "Ungläubige" unerwünscht sind und in denen Polizei und Feuerwehr routinemäßig mit Steinen beworfen werden, wenn sie es wagen, einzudringen. Es ist leicht genug, sich vorzustellen, dass sich diese Gebiete ausdehnen, dass ihre de facto Souveränität nach der Scharia offiziell anerkannt und eine Art relative Stabilität hergestellt wird. Andere Beobachter prognostizieren Unruhen von Einheimischen - nicht der Eliten, deren Privatleben von der muslimischen Präsenz in ihren Ländern nur geringfügig betroffen ist, sondern die weniger privilegierten Menschen, deren Viertel und Schulen zu Gefahrenzonen geworden sind, deren Steuern immer wieder erhöht wurden, um massive Zahlungen an Mitglieder von Zuwanderergruppen zu finanzieren, und Ärzte und Krankenhäuser durch die Neuankömmlinge dermaßen überlastet sind, dass lebenswichtige Behandlungen immer mehr rationiert und Wartezeiten immer länger werden.

Im Jahr 2016 schockierten die Briten die Welt, indem sie für den Brexit stimmten, und später im selben Jahr zogen die Amerikaner mit der Wahl von Donald Trump zum Präsidenten einen noch größeren Stunt ab. Einige Kommentatoren erwarteten, dass die Wahlen in Frankreich, Schweden und den Niederlanden ebenfalls sensationelle Ergebnisse bringen würden, doch obwohl es höhere Wahlergebnisse für Parteien gab, die Einwanderungskontrollen bevorzugen, wie Marine Le Pen's Nationale Versammlung (ehemals Front National), die Schweden-Demokraten und Geert Wilders Freiheitspartei und Thierry Baudet's Forum für Demokratie, beide in den Niederlanden, waren deren Wahlergebnisse geringer als erwartet. Andererseits haben die Österreicher im vergangenen Jahr Sebastian Kurz, einen entschiedenen Gegner der von der EU verhängten Asylquoten, zu ihrem Kanzler gewählt, und in diesem Jahr ging die italienische Premier League an Giuseppe Conte, der sich entschieden gegen illegale Einwanderer einsetzt und Migrantenschiffe von italienischen Häfen ausgesperrt hat.

Die wichtigsten Nachrichten an dieser Stelle waren jedoch nicht die von der Wahlurne. Dieses Jahr äußerten Briten wachsende Empörung über Theresa Mays verpfuschten Brexit. Darüber hinaus haben sich in den letzten Wochen Bürger Frankreichs aus dem gesamten politischen Spektrum, vor allem aus Kleinstädten und ländlichen Gebieten, nicht nur an öffentlichen Protesten beteiligt, sondern auch in Paris und anderen Großstädten gewalttätige Ausschreitungen und Vandalismusakte begangen, ikonische (vorbildhafte) Orte wie die Champs-Elysées geplündert, den Eiffelturm und den Louvre zur Schließung gezwungen und sogar Schäden am Arc de Triomphe verursacht.

Zuerst wurde berichtet, dass die französischen Randalierer wütend waren über eine Erhöhung der Kraftstoffsteuern, die durch die Umweltprioritäten von Präsident Emmanuel Macron motiviert worden war. „Der Benzinpreis ist unglaublich geworden", sagte Ghislain Coutard, dem die Gründung der so genannten Gelbwesten-Bewegung zugeschrieben wird, und zitierte dann Freunde, die wegen der Kosten für den Besitz eines Autos „kaum überleben". „Das kleinste Problem mit dem Auto wird zur Katastrophe", erklärte er. „Du musst dich verschulden und dann hört es nie mehr auf." Selbst nachdem Macron, als er erkannte, dass er zu weit gegangen war, die Steuererhöhung zurücknahm, gingen die Ausschreitungen weiter.

Journalisten hatten Schwierigkeiten, von den Randalierern klare und prägnante Erklärungen über ihre Motive und Ziele zu erhalten. Vielleicht finden die Randalierer die Worte nicht - vielleicht drücken sie eine Wut aus, die sie noch nicht artikulieren können. Oder vielleicht zögern sie, ihre Meinung laut auszusprechen, aus Angst, als Fremdenfeinde, Islamophob oder Rassisten bezeichnet zu werden. Der französische Philosoph Alain Finkielkraut führte die Unruhen neulich in einem Interview auf die wirtschaftliche und kulturelle Unsicherheit der ethnisch französischen Unter- und Mittelschicht zurück - Menschen, die durch steigende Mieten aus den Großstadtzentren vertrieben wurden, die ihre Arbeitsplätze und Kleinunternehmen durch „grüne" Steuern und Vorschriften zerstört sehen, die das Gefühl haben, einen Machtkampf mit muslimischen Zuwanderern verloren zu haben, und die spüren, dass ihre herrschenden Klassen mehr Mitgefühl mit Zuwanderern haben als mit ihnen.

Nun haben sich die Unruhen auf Belgien und die Niederlande ausgeweitet. Auch dort sind die Ziele der Randalierer schwer fassbar. Die Associated Press zitierte die Beschwerden einer älteren niederländischen Frau über hohe Steuern, den Wohnungsmangel und den Verlust von Sozialleistungen: „Das soziale Netz, mit dem wir aufgewachsen sind, ist weg", sagte sie. „Die Regierung ist nicht für das Volk da. Sie ist dazu da, ihre eigenen Interessen zu schützen." Zu diesen „Interessen" gehört natürlich auch die Priorisierung von Gratisgeschenken an Zuwanderer auf Kosten der Niederländer, die ein Leben lang gearbeitet haben. Doch auch heute noch ist es für viele europäische Einheimische wahrscheinlich einfacher, ein Aufständischer zu sein, als ehrlich über Islam und Zuwanderung zu sprechen.

Werden sich diese Unruhen noch weiter ausbreiten? Irgendwie ist es schwer, sich gewöhnliche Skandinavier bei Unruhen vorzustellen - sie sind einfach zu zurückhaltend. Ihre Idee eines öffentlichen Protestes ist eine stille Mahnwache bei Kerzenlicht. Was die Deutschen betrifft, so sind sie zu ordentlich, um in spontane Aufstände auszubrechen.

Andererseits kann dieser Eindruck falsch sein. Vielleicht werden sich diese französischen Unruhen über ganz Europa ausbreiten. Vielleicht ist es das - der Beginn des Widerstandes der europäischen Öffentlichkeit gegen das verheerende multikulturelle und globalistische Projekt der Eliten.

Wir werden es bald herausfinden.

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