Der falsche Umgang mit der AFD -


Deutschland am Zenit – wirtschaftlich und politisch -
Der falsche Umgang mit der AFD -


Nach oben geht es für Deutschland derzeit nicht mehr. Allmählich sollte sich Olaf Scholz mit Gerhard Schröders Wahlkampf im Jahr 2002 beschäftigen. Der hält nämlich eine Lektion für die Gegenwart bereit. Schröder hätte damals die Bundestagswahl um ein Haar verloren, weil sich der Kanzlerkandidat der Union, Edmund Stoiber, vor allem auf ein Thema konzentrierte: die Wirtschaft.

Unablässig wiederholte Stoiber seinen Spruch: „Deutschland ist Wirtschaftsschlusslicht in Europa! Die rote Laterne, die passt vielleicht zu den Roten, aber sie passt nicht zu Deutschland." Mit knapper Not gewann Schröder dann doch noch – und lancierte wenige Monate später seine Agenda 2010. Er förderte die Wirtschaft und baute den Sozialstaat zurück. Der Lohn war ein langer Aufschwung. Der Kanzler jedoch wurde 2005 abgewählt. Die nachfolgende Kanzlerin Merkel heimste den Lohn dafür ein.

Heute trägt Deutschland wieder die rote Laterne. Der Internationale Währungsfonds prognostiziert für das Land die schlechteste Wirtschaftsentwicklung unter allen G-7-Staaten. Im ersten Quartal rutschte Deutschland bereits in eine Rezession. Die Berliner Bubble diskutiert die Umfragewerte der AfD, die Patzer der CDU und den Ukraine-Krieg, aber über den Ausgang von Wahlen entscheidet die Wirtschaft.

It's the economy, stupid!", wusste schon Bill Clinton und gewann damit 1992 die Präsidentschaftswahl gegen den Amtsinhaber George Bush. Der hatte gerade im Golfkrieg triumphal gesiegt. Die Konjunktur schlug sogar den Patriotismus.

Geht es der Wirtschaft schlecht, geht es Populisten gut. Überfremdungsängste und die Verachtung für abgehobene Eliten gedeihen, wenn die Wähler den Abstieg fürchten. Das ist für die Entwicklung der AfD bedeutsamer als die Frage, ob in Posemuckel die CDU einem Antrag rechter Schmuddelkinder zustimmt.
Doch die Ampelpolitiker agieren seit dem Beginn des Ukraine-Kriegs wie Schlafwandler. Als die ohnehin hohen deutschen Energiepreise neue Rekordwerte erklommen, zeichnete sich bald die Gefahr der Deindustrialisierung ab. Die Abwanderung energieintensiver Branchen wie der Chemieindustrie wurde zur realen Bedrohung.

Wirtschaftsminister Robert Habeck hingegen versuchte zunächst, den deutschen Michel in den Schlaf zu wiegen. Wenn beim Bäcker die Kunden ausblieben, dann sei der Bäcker nicht insolvent, er würde „nur aufhören zu produzieren", salbaderte der Minister.

Wenn den Autobauern die Kunden davonlaufen, dann sind die Hersteller nicht insolvent. Sie hören nur auf zu produzieren. Genau dies geschieht unterdessen in China. Im boomenden Markt der vollelektrischen Autos haben die einheimischen Produzenten die Deutschen auf die hinteren Plätze verwiesen. In ihrer Domäne, den Verbrennungsmotoren, macht ihnen zugleich die EU das Leben schwer mit einem willkürlichen Verbot ab 2035.

Die Lage wird toxisch", resümiert die Verbandspräsidentin der Automobilindustrie, Hildegard Müller, in einem Interview mit der FAZ. In der Chemieindustrie, einer weiteren Vorzeigebranche Deutschlands, manifestieren sich die Folgen der Energiepreisexplosion. So plant der Chemiekonzern Lanxess die Schließung oder den Verkauf nicht mehr rentabler Produktionslinien in Krefeld.

Dass Werke schließen, ist das eine. Größere Auswirkungen haben jedoch die Investitionsentscheidungen. Das Geld fließt vor allem ins Ausland, nicht mehr nach Deutschland. So plant der größte deutsche Chemieproduzent, BASF, ein Werk in China. Auch die USA werden als Standort neuer Anlagen beliebter; es winken niedrige Energiepreise und Subventionen.


Berlin ist nicht Weimar

Spitzenmanager erzählen, sie hätten diese Entwicklungen früh angesprochen, von der Regierung aber die Antwort erhalten: Es geht euch doch gut. Tatsächlich haben viele Unternehmen in den Branchen Chemie und Fahrzeuge im letzten Jahr schöne Gewinne gemacht. Doch die Überschüsse werden nicht mehr im Inland erzielt, sondern im Ausland. Das wiederum lenkt die Investitionsentscheidungen. Deutschland verliert als Standort an Attraktivität. Daran ändern auch hoch subventionierte Firmenansiedlungen wie die Chipfabriken in Magdeburg und Dresden nichts.

Was das politisch bedeuten kann, lässt sich in den USA ablesen. Erst gingen die Arbeitsplätze nach China, dann kam Trump. Protektionismus und Populismus, so lautete seine Antwort auf die Deindustrialisierung, und das trug ihn ins Weiße Haus.

Wirtschaftliche Strukturprobleme führen häufig zu politischen Verwerfungen. Da muss man gar nicht die Weimarer Republik und Hitlers Aufstieg zitieren, denn die Bundesrepublik ist im Gegensatz zu Weimar eine grundsolide Demokratie. Auch ohne falsche geschichtliche Analogien ist die Situation ungemütlich genug.

Seit dem Ende des Wirtschaftswunders reagierte die Bundesrepublik alle zwanzig Jahre auf Strukturprobleme mit einem Reformprogramm. Anfang der achtziger Jahre deregulierte Helmut Kohl die Wirtschaft und senkte Steuern. Zwei Dekaden darauf setzte Schröder die Agenda 2010 gegen alle Widerstände in der SPD um.

Deutschland besitzt die Kraft und die Disziplin, sich selbst aus dem Sumpf zu ziehen, wenn die Not nur groß genug ist. Das unterscheidet Deutschland etwa von Frankreich, wo Strukturreformen entweder durchfallen oder nur in einer Minimalvariante verwirklicht werden.


Wo bleibt der Ruck?

Jetzt sind wieder zwanzig Jahre vergangen. Ob sich die Ampelkoalition der Herausforderung gewachsen zeigt? Noch geht kein Ruck durchs Land, aber wenigstens scheinen die Schlafwandler langsam aufzuwachen. Ihre Vorschläge sind indes untauglich. Wirtschaftsminister Habeck fordert eine Subventionierung des Strompreises in besonders energieintensiven Branchen. Davon würde allerdings nur die Großindustrie profitieren, während der Mittelstand leer ausginge.

Die Parteichefin der Grünen verlangt in der „Bild" gleich eine „Investitionsagenda für Deutschland". Es ist ein Sammelsurium von Ausgaben für „Bahn, Kitas, Digitalisierung, Unterstützungen für die energieintensive Industrie in Deutschland und Anreize für internationale Unternehmen, ihre Standorte in Deutschland anzusiedeln". Zugleich betont Ricarda Lang, dass an der Aufrüstung der Bundeswehr und am Ausbau des Sozialstaates festgehalten werden soll. Dass die Schuldenbremse dem entgegensteht und der Kanzler und sein Finanzminister diese nicht ändern werden, weiß sie. Es ist ihr egal: „Die Ampel hat bisher immer Wege gefunden, notwendige Maßnahmen umzusetzen." Die Partei, die den Wirtschaftsminister stellt, will keine Strukturreformen. Sie träumt von einem gigantischen Konjunkturprogramm.

Aus den Schlafwandlern werden also Traumtänzer. Niemand, auch nicht Sozialdemokraten und Liberale, schenken den Deutschen reinen Wein ein. Will man die „Zeitenwende" schultern und gleichzeitig eine ehrgeizige Energiewende realisieren, geht das nicht ohne Einschnitte an anderer Stelle.

Wenn die Produktion auf Wasserstoff umgestellt und Flüssiggas importiert wird, wenn die Atomkraftwerke abgeschaltet sind und die Stromnetze ausgebaut werden, hat das einen Preis. Den zahlen die Konsumenten, die Steuerzahler oder die Unternehmen. Die Regierung aber erweckt den Anschein, als sei das gratis zu haben.

Merkels Geheimwaffe, jeden Widerstand gegen ihre Politik durch soziale Wohltaten zu ersticken, gehört einer vergangenen Ära an. Die Friedensdividende ist aufgezehrt, die Sozialausgaben müssen überprüft werden. Das Gegenteil geschieht. Das Familienministerium wollte zunächst die Sozialhilfe für Kinder um 12 Mrd. Euro anheben. Nach Kritik in der Koalition sollen nun 2 bis 7 Mrd. genügen. In Berlin hat das Würfeln offenkundig die Finanzplanung abgelöst.

Es ist diese Frivolität im Umgang mit Steuergeldern, die daran zweifeln lässt, ob die Regierung den Ernst der Lage erkannt hat. Hinzu kommt, dass nirgendwo in Europa die „Degrowth"-Phantasien (Wachstumsrücknahme) so populär sind wie in Deutschland. Reich bleiben bei schrumpfender Wirtschaft: Die Traumtänzer sind nicht nur in der Ampelkoalition, sondern überall im Land anzutreffen.

Zur Schadenfreude besteht kein Anlass. Wird Deutschland zum kranken Mann Europas, spüren das auch seine Nachbarn. Die Bundesrepublik steht an einem Wendepunkt. Die Deutschen werden sich nicht damit zufriedengeben, die rote Laterne zu tragen. So viel steht fest. Offen ist nur, wie lange es dauert, bis der Erkenntnis Taten folgen – und wer davon politisch profitiert.


Der falsche Umgang mit der AFD

Anders als in Weimar gibt es in Berlin unter den Demokraten nicht zu wenig Konsens, sondern eher zu viel. Reist man in diesen Wochen durch Deutschland, kommt die Sprache unweigerlich auf ein Thema: die Alternative für Deutschland. Es ist, als habe sich mit der AfD ein böser Zauber über das Land gelegt.  

Das Erste, was einem in solchen Unterhaltungen auffällt, ist ihr im Vergleich zum restlichen Europa völlig verschobener Fokus: Verhandelt wird nicht der Aufstieg einer rechtspopulistischen Partei, wie es sie in fast jedem Land gibt, sondern die deutsche Geschichte. Anhänger wie Gegner der AfD sind zwanghaft auf das „Dritte Reich" fixiert.

Die graue Eminenz der Partei, Björn Höcke, kann nicht einfach sagen, dass er die Europäische Union für überflüssig hält. Bei ihm klingt das so: „Diese EU muss sterben, damit das wahre Europa leben kann." Der ehemalige Geschichtslehrer weiß natürlich genau, dass dies der Durchhalteparole des „Völkischen Beobachters" nach dem Untergang der Sechsten Armee in Stalingrad ähnelt: „Sie starben, damit Deutschland lebe."

Höcke pflegt eine Rhetorik, die beim historisch gebildeten Zuhörer manchmal den Eindruck erweckt, als sei sie eine Direktübertragung aus dem Sportpalast. Niemand belegt so eindrücklich wie Höcke, dass der Nationalsozialismus eines gewiss nicht ist: ein „Fliegenschiss" in der deutschen Geschichte, wie der frühere Parteichef Alexander Gauland behauptete. Wer so redet wie Höcke, berauscht sich noch immer an der Vergangenheit.

Doch auch die Kritiker der Partei sind in einer historischen Endlosschleife gefangen. Indem sie falsche Parallelen ziehen, erschweren sie die Analyse des Rechtspopulismus und damit seine Bekämpfung. Berlin ist nicht Weimar. Die Unterschiede zwischen der ersten und der zweiten Republik sind fundamental. Wer sie ignoriert, ist entweder geschichtsblind oder will aus politischen Gründen die AfD in den langen Schatten Hitlers rücken.

Hier muss ich folgendes unmissverständlich klarstellen:

DIE NAZIS von 1933 - 1945 haben Millionen Menschen, darunter unzählige Frauen und Kinder, grausam ermordet. Jeder Nazi hatte selbst entschieden, wer gut, wer böse war. Mit Billigung von „Oben", hat der NAZI Andersdenkende nach Gutdünken denunziert, geistig und körperlich verletzt oder gar getötet. Mit dieser Mörderbande war 1945 endlich Schluss.

Oder nicht?

Sind die heutigen „Nazis" Andersdenkende die die „alternativlose" Politik der Politeliten kritisieren?
Sind es die 6 – 8 Millionen Wähler der AfD?
Sind es die Bürger die ihre Heimat lieben?
Sind es die Wähler die nicht links-grün wählen?
Sind das die gewaltbereiten Täter, vor denen die Welt Angst haben muss?

Wer entscheidet denn heutzutage über gut oder böse?
Ist es die ANTIFA-SA, der Grün-Linke-Mainstream, die Medien?
Oder der Einzelne, wie bei den NAZIS?

Wenn man alle Andersdenkende mit ihren Familien in die GULAGS deportieren würde, wären doch alle Probleme dieser Welt gelöst. Überall herrschte Friede, Freude, Eierkuchen.

Wenn die ANTIFA-SA keinen Feind mehr hat, verliert sie dann ihre Existenzberechtigung?

Sicher nicht. Sie sucht sich dann eben einen neuen Feind.
Ist es dann der Nachbar, der Bruder, die Familie oder ...?

Mein Standpunkt ist, Meinungsunterschiede dürfen grundsätzlich nur im Rahmen unseres Grundgesetzes ausgetragen werden. Wer Andersdenkende übelst diffamiert, an Leib und Leben bedroht und obendrein eine Moralität noch weit vor dem lieben Gott beansprucht, ist nicht besser als die NAZIS von 1933 - 1945!

Die Weimarer Republik litt unter der Hypothek einer nie verwundenen Kriegsniederlage. Das machte die Mehrheit des Volkes für revanchistische Parolen empfänglich. Die Demokraten waren eine belagerte Minderheit, und sie waren zerstritten. Die letzte demokratische Koalitionsregierung unter Kanzler Hermann Müller zerbrach 1930 an einer untergeordneten Frage. Damit war der Weg in den Abgrund frei.

Die etablierten Parteien heute sind nicht zerstritten, sondern programmatisch eher beliebig und rundum koalitionsfähig. Deshalb ist die Behauptung, die Demokraten müssten gegen die AfD zusammenstehen, nur halb richtig. Der fatale Eindruck, in der Politik herrsche ein Einheitsbrei, macht die Rechtspopulisten für Protestwähler erst attraktiv.

Anders als in Weimar gibt es in Berlin unter den Demokraten nicht zu wenig Konsens, sondern eher zu viel. Vor allem leben die Deutschen inzwischen in einer gefestigten Demokratie. Dank acht Jahrzehnten erfolgreicher Demokratie ist die Bundesrepublik eine eigene historische Größe. Sie sollte gerade nicht durch das Prisma der ersten Republik betrachtet werden.

Wenn man sich von dieser Last befreit, sieht man in Höcke eben nicht Hitlers Wiedergänger, sondern einen Provinzpolitiker, der viel zu sehr polarisiert, als dass er eine über sein Milieu hinausweisende Reichweite entwickeln könnte. Eine echte Herausforderung wird die AfD erst dann, wenn sie ein gemäßigtes und massentaugliches Gesicht findet wie (nach einer mehrfachen Häutung) Marine Le Pen oder Giorgia Meloni.


Die Demokratie entzaubert zuverlässig Politiker

Falsche Analogien verstellen den Blick auf die Gegenwart. So ist die Debatte über die „Brandmauer" ein zum Selbstzweck gemachtes Mantra, das nicht mehr hinterfragt wird. Angeblich stärkt jeder Kompromiss und jede Einbindung die AfD.

Dass die Übertragung von Verantwortung die Schwächen der Partei offenlegen könnte, wird unter Verweis auf Weimar kategorisch ausgeschlossen. Der Versuch, Hitler durch Einbindung zu entzaubern, ging tatsächlich schief. Dies muss nun herhalten, um zu begründen, warum es ein unkalkulierbares Risiko sei, auf eine Entzauberung der AfD zu spekulieren.

Die erste Republik war in ihrer Endphase keine echte Demokratie mehr. Das Parlament war ausgeschaltet. Wechselnde Notstandsregierungen hielten sich mit Dekreten an der Macht. Sie stützten sich auf einen senilen Greis, der vom Ständestaat träumte: Reichspräsident Paul von Hindenburg. So existierten keine Sicherungen, um den Dämon Hitler zu stoppen.

Ein Ministerpräsident Höcke? Bei dem Gedankenexperiment muss man schon schlucken. Doch Berlin ist nicht Weimar. Die Demokratie ist keine hohle Fassade. Die Gewaltenteilung funktioniert; Regierung, Parlament und Justiz sind Bollwerke von Rechtsstaatlichkeit und Pluralismus. An Sicherungen fehlt es nicht.

Zudem ist die Demokratie eine wunderbare Entzauberungsmaschine. Vor zwei Jahren war Robert Habeck noch der Knuddelbär der Nation. Inzwischen ist er der Buhmann mit der Wärmepumpe. Die von den Medien hymnisch verehrte finnische Ministerpräsidentin Sanna Marin scheiterte nach nur einer Legislaturperiode. Jetzt regiert eine Koalition unter Beteiligung der Rechtspopulisten, die sich ebenfalls in Rekordtempo entzauberten.

Als die linke Cinque Stelle (5 Sterne) Regierungsverantwortung übernahmen, sahen viele Beobachter Italien dem Niedergang geweiht. Unterdessen sind die Linkspopulisten arg geschrumpft, weil sie sich im Verwaltungsalltag als ziemlich unfähig herausstellten. Die Demokratie entzaubert zuverlässig Politiker – aufgeblasene Moralisten ebenso wie Populisten.

Es steckt schon eine Portion Überheblichkeit darin, wenn die Deutschen glauben, sie seien ganz anders als der Rest Europas und daher immerzu zu einem Sonderweg verdammt.

Ein Verbot der AfD wäre ein Eigentor für den Staat

Denkt man in aller Ruhe darüber nach, ist es ziemlich ausgeschlossen, dass eine Regierungsbeteiligung der AfD auf der Ebene von Ländern und Gemeinden die Bundesrepublik in ihren Grundfesten erschüttern kann. Die Partei lehnt die EU und die Nato ab. In allen Sonntagsreden aber heißt es, dass die Mehrheit der Deutschen europäische Einigung und westliche Allianz für alternativlos halte. Stimmt das nicht mehr?

Sollte sich eine Mehrheit finden, die den Austritt aus EU und Nato befürwortet, wäre dies das eigentliche Ende der Bundesrepublik in ihrer jetzigen Form – und nicht eine von der AfD unterstützte Landesregierung. Solange aber mehr als zwei Drittel der Deutschen die Koordinaten dieser Republik gutheißen, kann die AfD wenig ausrichten.

So wie die Partei auftritt, ist es besser, wenn sie nicht in Exekutivämter gelangt. Zugleich muss man die Strategie der Ausgrenzung als gescheitert bezeichnen. Wenn in Ostdeutschland jeder Dritte AfD wählen will, ist die Partei in der Gesellschaft angekommen.

Daher ist es umso wichtiger, die Themen aufzugreifen, mit denen die AfD erfolgreich um Anhänger wirbt – etwa die Migration. Die Freien Wähler unter Hubert Aiwanger tun genau dies, weshalb die AfD laut Umfragen in Bayern nur bei 13 bis 14% steht. Der von der politischen Elite verlachte Aiwanger führt die Auseinandersetzung mit den Populisten wirkungsvoller als die dauerempörten AfD-Kritiker in Berlin.

Eine Dosis Pragmatismus und Gelassenheit ist auch deshalb angezeigt, weil sich der Gestus der Empörung irgendwann totläuft. Als Höcke der EU den Tod wünschte, sprach Markus Söder von der Radikalisierung der AfD; und Serap Güler, Mitglied im Bundesvorstand der CDU, sah Parallelen zum Gedankengut der Nationalsozialisten.

Dabei schmähte die Linkspartei die EU als neoliberales Projekt und will bis heute nichts von der Nato wissen. Dennoch ist sie in Landesregierungen vertreten, ohne dass die anderen Parteien dies skandalisieren. Die AfD-Anhänger sehen in dem selektiven Umgang mit ihrer Partei einen Beweis für die Scheinheiligkeit des Systems. Sie sind daher nicht für Kritik am haarsträubenden Programm der Partei empfänglich, weil sie diese als die übliche Voreingenommenheit eines etablierten Meinungskartells abtun.

Die wackeren Demokraten erreichen so das Gegenteil des Bezweckten. Statt der AfD Wähler abspenstig zu machen, treiben sie ihr diese zu. Um den Teufelskreis zu durchbrechen, helfen nur Sachlichkeit und verbale Abrüstung.

Wohin Dauererregung führt, demonstriert der „Spiegel". Er fordert ein AfD-Verbot, ohne die Folgen zu überlegen. Wenn einem Viertel bis einem Drittel der Bürger verwehrt wird, die von ihnen bevorzugte Partei zu wählen, kann man nicht mehr von einer uneingeschränkt demokratischen Wahl sprechen. Um die Demokratie zu retten, würde man ihr Schaden zufügen.

Diese Paradoxie kennt in der bundesdeutschen Geschichte ein Vorbild. Die sozialliberale Regierung unter Willy Brandt ging mit dem Radikalenerlass gegen Kommunisten im öffentlichen Dienst vor. Der Inlandgeheimdienst überprüfte Tausende angehender Beamter vom Briefträger bis zum Professor auf ihre Verfassungstreue. Der von der DDR gesteuerten kommunistischen Partei schrieb man dieselben zerstörerischen Kräfte zu wie heute der AfD; und schon damals hieß es, die Demokratie müsse sich mit aller Vehemenz wehren.

Doch die Maßlosigkeit der „Berufsverbote" erwies sich als Eigentor für den Staat. Der unselige Radikalenerlass verbitterte viele Menschen und delegitimierte die Bundesrepublik. Die Lehre aus jener Zeit gilt auch heute noch. Eine Demokratie muss wehrhaft sein, aber sie sollte sich vor lauter Eifer nicht in den Fuß schießen.

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