Warum die USA den Ukraine-Krieg gewinnen – 30. Januar 2023

Warum die USA den Ukraine-Krieg gewinnen

Alles Versagen ist immer auch Organisationsversagen. Der neue Verteidigungsminister Boris Pistorius sollte eine Fehlentscheidung seines CDU Vor-Vor-Vor-Vorgängers Thomas de Maizière zügig korrigieren: Die Abschaffung des Planungsstabes.

Der Planungsstab gehörte zu den Leitungsstäben des Bundesministeriums der Verteidigung (BMVg) und unterstützte den Bundesminister in der Wahrnehmung seiner Aufgaben unmittelbar. Er beriet zu allen Entscheidungsvorschlägen der militärischen und zivilen Abteilungen des BMVg, begleitete die Umsetzung der Entscheidungen des Ministers und setzte seine politischen Vorgaben in Konzeptionen, Reden und Artikel um.

Der Planungsstab erstellte nach den Vorgaben des Ministers Reden, Artikel und Grundsatzdokumente wie das Weißbuch oder die Verteidigungspolitischen Richtlinien. Zudem hatte er in grundlegenden sicherheitspolitischen und militärstrategischen Fragen eine beratende Funktion und erarbeitet Analysen, Modellüberlegungen und Konzeptionen zu ausgewählten Fragestellungen und prüfte Vorlagen aus dem Haus an die Leitung des Ministeriums." Entnommen aus WIKIPEDIA

Die Abschaffung dieser Abteilung 2012 kam einer Gehirnamputation gleich – aus bis heute unerklärlichen Gründen.

Unverzüglich sollte dieser neu einzurichtende Planungsstab sich mit den Machtverschiebungen innerhalb der Nato-Staaten befassen, die der Ukraine-Krieg und die westliche Reaktion darauf ausgelöst haben. Es ist hochgradig politisch unkorrekt, aber dafür umso lohnender, sich insbesondere mit den USA zu befassen. Denn im Schatten des Krieges hat hier eine Verschiebung von Macht und Wohlstand stattgefunden, die für Deutschland mehr als schmerzhaft ist: Seit Beginn des Krieges haben die USA der Ukraine über 50 Mrd. Dollar an militärischer, finanzieller und humanitärer Unterstützung zukommen lassen. Deutlich mehr als sämtliche andere Länder.

Aber: Es gilt quer durch die Jahrhunderte der Satz des ehemaligen Präsidenten Calvin Coolidge: „After all, the chief business of the American people is business." „Schließlich ist das Hauptgeschäft des amerikanischen Volkes das Geschäft. Sie sind zutiefst damit beschäftigt, in der Welt zu produzieren, zu kaufen, zu verkaufen, zu investieren und zu gedeihen."

Im Mai 2022 verabschiedete der Senat ein Gesetz, dass die amerikanische Regierung ermächtigt, militärisches Equipment schnell und unbürokratisch an die Ukraine auszuleihen – den „Ukraine Democracy Defense Lend-Lease Act of 2022". Die rund 23 Mrd. US-Dollar an militärischer Unterstützung sind also nicht verschenkt.

Darin ist festgelegt, dass „jegliche Darlehen oder Verpachtungen von Verteidigungsgütern an die Regierung der Ukraine der Rückgabe, Erstattung und Rückzahlung unterliegen".

Das „Bewaffnen auf Kredit", denn darum handelt es sich, wurde im Zweiten Weltkrieg erfunden, als Winston Churchill sich außer Stande sah, die Verteidigung Großbritanniens alleine zu bewerkstelligen. An das damalige Verfahren, Waffen gegen Schuldscheine zu verkaufen, hat sich die Regierung jetzt erinnert.

Zufall oder nicht: Die USA sind auch materiell daran interessiert, dass die Regierung in Kiew flüssig bleibt. Ende September 2022 berichtete die Financial Times, dass die USA die EU-Länder drängen, die zugesagte finanzielle Unterstützung für die Ukraine zu beschleunigen und einen „regelmäßigen Mechanismus" für finanzielle Unterstützung einzurichten. Noch ist offen, ob EU-Gelder auch für die Militärrückzahlungen an die USA eingesetzt werden sollen und dürfen.

Fakt ist: Die USA sind in diesen Angelegenheiten streng. Großbritannien stotterte bis 2006 seine Raten aus den Lend-Lease-Schulden ab, da war der Weltkrieg schon 61 Jahre vorbei.

Derartige Programme nutzen – damals wie heute – vor allem die amerikanischen Rüstungskonzerne, ohne dass der heimische Steuerzahler in die Pflicht genommen wird. Die Börsen-Notierungen von Lockheed Martin und Northrop Grumman reflektieren die Euphorie der Investoren, zumal ja künftig auch die Ersatzbeschaffungen über die amerikanischen Hersteller laufen müssen.

Auch die Erhöhung aller westlichen Militärbudgets kommt dem Amerikaner zu Gute. 100 Mrd. hat Olaf Scholz zusätzlich ausgelobt. Davon fließen für den Kauf von 35 F-35A Kampfflugzeugen schon rund 8,3 Mrd. Euro in die USA. Zu den 35 Kampfflugzeugen gehört auch ein umfangreiches Paket aus Triebwerken, rollenspezifischer Missionsausstattung, Ersatz- und Austauschteilen, technisch-logistischer Unterstützung, Ausbildung sowie Bewaffnung.

Eine Analyse des Foreign Policy Magazins ergab, dass die Vereinigten Staaten die Zahl der genehmigten Waffenverkäufe an NATO-Verbündete im Jahr 2022 gegenüber 2021 fast verdoppelt haben – von 15,5 auf 28 Mrd. US-Dollar. So wird der Krieg zum Geschäft.


Profiteur Nr. 2: Die US-Energiekonzerne

Durch die Wirtschaftssanktionen – Handelsbeschränkungen, das Einfrieren von Vermögenswerten, den Ausschluss von Zahlungssystemen oder das Ausfuhrverbot von Öl – hat man Russland isoliert. Damit wird der bisherige deutsch-russische Handel für sehr lange Zeit unwiderruflich disruptiert (ein Gleichgewicht, ein System o. Ä. zerstörend). Als Helfer in der Not bieten sich die amerikanischen Energiekonzerne an.

Die kommen vor Lachen kaum in den Schlaf: Die LNG-Importe aus Amerika stiegen 2022 um 260% im Vergleich zum Vorjahr. Das amerikanische Flüssiggas ersetzt das russische Pipeline-Gas aus Nord Stream 1 und Co.

Auch das amerikanische Öl ist plötzlich gefragt: Nach Angaben des Datenanbieters OilX sind seit Februar 2022 rund 500 amerikanische Öltanker nach Europa gefahren und haben dazu beigetragen, dass die Rohölexporte der USA im vergangenen Jahr ein Rekordhoch erreichten. Zwischen Dezember 2021 und Dezember 2022 stiegen die US-Exportzahlen um 52%.


Profiteur Nr. 3: Die US-Regierung

Die amerikanische Administration hat ein Interesse, den Systemrivalen Russland dauerhaft zu schwächen und im Grunde aus dem Spiel der Großmächte zu entfernen. Sie kann das gefahrlos für das eigene Land und das Leben der eigenen Soldaten tun. Auch deshalb hat Washington kein Interesse an einem schnellen Friedensschluss in der Ukraine, wie ihn der 99-jährige Henry Kissinger am 17.01.2023 in Davos skizzierte.

Joe Biden will den Regimewechsel in Moskau. Das hat er in einer Rede vor dem Warschauer Stadtschloss deutlich gesagt. Auch sein Außenminister hat klargemacht, dass man Russland seine Kriegsfähigkeit nehmen möchte.

Der Unsicherheitsherd Europa nutzt mittelfristig auch dem amerikanischen Kapitalmarkt, der von den Investoren als sicherer Hafen wahrgenommen wird. Die Kapitalabflüsse in den ersten Kriegsmonaten aus Europa waren erheblich. Am 17. Januar nach Börsenschluss meldete BASF einen Milliardenverlust, der im Wesentlichen durch die Abschreibungen des mittlerweile beendeten Russlandgeschäfts verursacht wurde.

Die Europäer und hier insbesondere Deutschland haben ein überragendes strategisches Interesse, dass der Konflikt möglichst schnell beendet oder zumindest eingefroren wird und sich auf gar keinen Fall in Richtung der westeuropäischen Metropolen ausweitet. Je stärker und intensiver in Europa ein Krieg tobt, desto pessimistischer sind die Investitionsbedingungen, sowohl in der Realwirtschaft als auch an den Kapitalmärkten von London, Paris und Frankfurt.

Fazit: Der Handelspartner Russland wird de facto gegen den Handelspartner Amerika getauscht. Damit festigen die Amerikaner auch ihre Verhandlungsposition für die Gespräche über künftige Freihandelsabkommen und die China-Strategie.

Wenn es denn den Planungsstab im Verteidigungsministerium noch gäbe, würde er dem Minister in der Executive Summary (Zusammenfassung) folgende Paradoxie aufschreiben: Russland führt Krieg gegen die Ukraine – die Europäer zahlen und Amerika gewinnt.

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