Partei der Vernünftigen - 3. Oktober 2021


Die Partei der Vernünftigen

Immer wieder stelle ich fest, dass eigentlich keine bestehende Partei meinen Ansprüchen genügt. Entweder wird „gemerkelt" oder Eigenwohl geht vor Gemeinwohl. Daher befasse ich mich gedanklich immer wieder mit einer eigenen Partei-Gründung. Der Name des geheimen Projektes: „Die Vernünftigen".

Diese Partei wird aber nie das Licht der Welt erblicken:

  • weil meine „lieben Mitbürger" die Bequemlichkeit mehr lieben als den politischen Kampf;
  • weil wir schon heute eher zu viele als zu wenige Parteien haben;
  • und wohl auch, weil Menschen wie ich erkannt haben, dass die z. Z. herrschende Politik ein schmutziges Geschäft ist, voller schmutziger Deals;
  • In Politik und Medien dominieren die Ideologen, die die Stützen der Gesellschaft aus den Augen verloren haben;
  • Was muss man nicht alles beachten: Political correctness, Gendern, Diversität …;
  • Von freier Äußerung kann nicht mehr die Rede sein, von freier Berichterstattung und von Zensurfreiheit auch nicht mehr. Die Menschen spüren das, sie haben die Schere der Selbstzensur oder den nächsten Blockwart im Kopf. Sie praktizieren „Schweigespirale". „Wir sind ein Volk von Flüsterern geworden.", sagte man in der DDR.

Aber: Der Name „Die Vernünftigen" hat in meinem Kopf einen Anker geworfen.

Ich will nicht links und nicht rechts regiert werden, sondern vernünftig.
Ich wünsche mir Politiker die einfach sagen was ist, ohne feuchte Aussprache, Menschen, die weder schreien noch säuseln, sondern die vernünftig mit dem Bürger sprechen. Ich wünsche mir ein Programm, das weder nostalgisch noch futuristisch, sondern realistisch ist. Die geistige Gründungsfigur aller Vernünftigen kann nicht Karl Marx, kann nicht der Papst, und kann auch nicht Greta Thunberg sein. Immanuel Kant, der sich an den vernunftbegabten Menschen wandte, wäre der Gesellschaft bekömmlicher: „Sapere aude! Habe Mut, dich deines Verstandes zu bedienen!"

Und so ist denn zu Beginn der Nach-Merkel-Zeit und vor dem Start der Koalitionsverhandlungen vielleicht eine gute Gelegenheit, an jene acht Dinge zu erinnern, auf die sich vernünftige Menschen in wenigen Minuten werden verständigen können:

1.        Unser Staatsapparat ist ein Prahlhans, der nicht liefert. Die Internetverbindungen sind lausig, die Bahn ist überfordert, die Schulen befinden sich in einem bemitleidenswerten Zustand. Die Schulden bewegen sich auf Rekordhöhe und man fragt sich, wer bitte schön das viele Geld in welchem Loch verbuddelt hat. Dieser Staat muss reformiert werden, sonst kann er diesem Land im 21. Jahrhundert keinen Dienst erweisen.

2.        Die kommende Regierung muss ihre Arbeit mit einer ökonomisch präzisen Analyse beginnen. Dieses Deutschland erlebt – ohne, dass die Spitzen der Parteien das zur Kenntnis nehmen – seit vielen Jahren seinen Abstieg, relativ zu den anderen großen Wirtschaftsmächten dieser Welt. Bald wird ein einzelner US-Bundesstaat, Kalifornien nämlich, mehr Wohlstand erzeugen als die doppelt so große Bundesrepublik.

3.        Im öffentlichen Diskurs ist dauernd von Industrie 4.0, Start-up-Wettbewerben und Innovationsoffensiven die Rede. Doch hinter diesem Wortnebel sehen wir ein Land, das an der Schwelle zum digitalen Zeitalter seine Zeit vertrödelt. Nur wer über die Gründe spricht, wird die Laufrichtung verändern können.

4.        Wir gehen mit unseren Kindern nicht verantwortungsbewusst um. In ihren Köpfen wohnt der größte natürliche Rohstoff, den dieses Land zu bieten hat. Und wir tun nicht genug, um diesen wertvollen Rohstoff zu entwickeln und dann gewinnbringend zu explorieren. In den Kinderzimmern und in den Vorschulen findet die größte Talentverschwendung aller Zeiten statt. Vorschulkinder könnten eine neue Sprache in 100-facher Geschwindigkeit lernen. Stattdessen wird gepuzzelt.

5.        In den weiterführenden Schulen derselbe trostlose Befund: Die Liebe der Jugendlichen zum Neuartigen und auch zum Digitalen wird nicht erwidert. Der Staat traktiert den Nachwuchs mit seiner Gestrigkeit. Überall riecht es nach Bohnerwachs und man hat das Gefühl, gleich schreitet Heinz Rühmann um die Ecke.

6.        Die Familienunternehmer sind heutzutage die Garanten dafür, dass Deutschland nicht abstürzt. Derweil sich Kirchen, Gewerkschaften und auch Parteien aus dem Alltagsleben der Menschen zurückziehen, wird in den Familienfirmen Stabilität vermittelt. Bei Facebook wird gepostet und gepestet, in der Firma aber wird gelacht, gescherzt und geheiratet. Wer diese Familienunternehmen ständig nur deckeln, schröpfen und mit den Mitteln der Bürokratie versklaven will, kann der Freund des Volkes nicht sein.

7.        Die Klimapolitik ist wichtig, aber nicht so wichtig, dass sie mit sozialer Spaltung erkauft werden darf. Hier kommt es darauf an, die Wechselwirkungen zu beachten. Wer einfach nur die Energiesteuern erhöht und immer weiter erhöht, der wird Inflation ernten. Die steigenden Energiepreise treten über die Ufer der Stromrechnung und setzen sich in den Preisen aller Produkte und Dienstleistungen fort. Durch keine Ausgleichszahlung der Welt wird sich der Effekt der inflationären Durchdringung für die kleinen Leute aufheben lassen. Deutschland ergrünt – und erkaltet.

8.        Die Gefahr der Deindustrialisierung ist real, wenn die Klimapolitik zuerst auf den strafenden Staat setzt. Der Wechsel von den fossilen auf die erneuerbaren Rohstoffe muss ein Festival der neuen Technologien sein – oder dieser Wechsel findet gar nicht statt. Die neuen Koalitionäre sollten die Realwirtschaft und auch den internationalen Kapitalmarkt für diese gemeinsame Kraftanstrengung gewinnen. Marktwirtschaftlich zu handeln, ist nicht neoliberal, sondern vernünftig.

Dazu
Zitate von Wolfgang Reitzle auf dem FDP-Parteitag vom 19. Sept.: „Das Klima retten wir entweder global oder gar nicht. Auf dem Planeten werden bis 2050 rund 2,5 Mrd. mehr Menschen leben. China hat alleine in 2019 fast genauso viel Kohle-Kapazität neu aufgebaut, wie wir bis 2038 vom Netz nehmen wollen. In Afrika besitzen heute 600 Mio. Menschen keine Steckdose, aber sie werden berechtigterweise schon sehr bald eine haben. Und ein Großteil des Stroms aus diesen Steckdosen wird aus neuen Kohlekraftwerken stammen, die wiederum China nach Afrika liefert. "

Ganz gleich, wie weit wir hier gehen mit der Deindustrialisierung; das Klima retten wir mit all dem eben leider nicht. Der Zweck, der alle Mittel heiligen soll, wird durch diese Mittel gar nicht erreicht! "

Seine Begründung: „Ein vollelektrischer Pkw zum Beispiel, der seinen Strom aus einer deutschen Steckdose lädt, fährt nicht CO2-frei. Im Gegenteil: Unser Strommix ist nicht nur besonders teuer. Er ist auch besonders schmutzig (CO2-lastig). Und wenn demnächst das letzte Atomkraftwerk vom Netz geht, wird er für lange Zeit noch schmutziger. "

Seine Schlussfolgerung: „Unsere Situation gleicht der eines Schiffes, das zu sinken droht. Dabei läuft das Wasser vorne und hinten gleichzeitig rein. Allerdings ist das Loch vorne – bei uns – viel kleiner als das Loch hinten in China, Asien und Afrika. Welchen Sinn ergibt es da, dass wir fast all unsere Zeit, fast all unsere Kraft und all unsere Ressourcen darauf verwenden, das kleine Loch hier in Deutschland zu schließen? Warum konzentrieren wir uns nicht auch und besonders auf das große Loch?"


Fazit:

  • Die Ära Merkel ist zwar beendet, aber es wird wohl wegen anstehender, vermutlich langwieriger Koalitionsverhandlungen noch ein paar Wochen Nachspielzeit geben.
  • Stärkste Partei ist erstmals seit 2002 die SPD. Allerdings sind selbst die 25,7% der SPD im historischen Vergleich ein eher mageres Ergebnis.
  • Dem neuen Bundestag werden 735 Abgeordnete angehören: zwar der größte Bundestag der Geschichte, aber deutlich kleiner als im Vorfeld von einigen Experten befürchtet, was dennoch zur Folge hat, dass viele Abgeordnete nicht mehr beschäftigt werden können.

Weil die Lage ist, wie sie ist, können wir, um mit Stefan Zweig zu sprechen, Politiker, die jetzt die „Hasstrommel" schlagen und ihre „Empörungsmaschinen" anwerfen, nicht gut gebrauchen. Möge die neue Regierung an ihrem Kabinettstisch einen hohen Anteil für die Vernünftigen reservieren. Wir brauchen keine neuen Parteien. Aber was wir gut gebrauchen könnten, ist die Neubegründung der bestehenden.

Der Zeitgeist entscheidet darüber, wer gerade am längeren Hebel sitzt. Wer heute über den einen richtet, indem er ihn cancelt, kann morgen schon selbst gecancelt werden. Genau aus dem Grund hat man einmal die Meinungsfreiheit und den liberalen Rechtsstaat erfunden.

Aber Meinungsfreiheit ist nichts, was an persönliche Animositäten geknüpft ist. Sie ist vorhanden oder eben nicht. Aber von diesem Bewusstsein scheint nicht mehr viel übrig zu sein.



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