Aktuelles von der Wirtschafts- und Finanzkrise am 16. Oktober 2020

Die EZB soll den Euro stabil halten, aber keine Politik machen -
Die giftige Geldflut -
Die 5 Irrtümer der Corona-Politik –
Die Kanzlerin ruft Alarm und alle gruseln mit -


Die Europäische Zentralbank soll den Euro stabil halten. Sie hat kein Mandat dazu, mithilfe von Anleihekäufen politische Ziele durchzusetzen.

Der Weg ist vorgezeichnet: Die Europäische Union wird für alle möglichen politischen Zwecke Anleihen ausgeben – und die EZB wird sie aufkaufen. Zwei Ereignisse der Woche, die scheinbar nichts miteinander zu tun haben, signalisieren dies: Zunächst feierte die EU ihre erste „Sozialanleihe", danach lud die EZB zur Veranstaltung mit dem putzigen Namen „Das Eurosystem hört zu". Dort hörte EZB-Chefin Christine Lagarde, was Greenpeace oder Gewerkschaften so von ihr erwarten.

Der Social Bond über 17 Mrd. € soll das EU-Kurzarbeitsprogramm finanzieren – 100 Mrd. Billigkredit an 16 Staaten von Belgien bis Zypern, die für eigene Anleihen viel höhere Zinsen zahlen müssten. Dass Kurzarbeit in Deutschland aus Beiträgen der Arbeitnehmer an die Bundesagentur für Arbeit bezahlt wird, wen kümmert das? Die in guten Jahren angesammelten Überschüsse der Agentur sind ohnehin weg, also springt auch hierzulande der Staat ein.

Im EZB-Tower sekundiert Lagarde. Den Coronawiederaufbaufonds will sie zu einer Dauereinrichtung machen – als müsste ein zertrümmertes Europa auf ewig wiederaufgebaut werden. Ihr geht es um Notenbankpolitik, die „sozialen Fortschritt" fördern soll, und Klimaschutz. Bisher gilt für die EZB, die Massen von Anleihen aufkauft und so indirekt Geld in Staaten und Unternehmen pumpt, das Prinzip Marktneutralität: Sie soll alle Anleihepreise heben und die Zinsen drücken. Das aber stellt Lagarde infrage: Zentralbanker sollten sich fragen, ob es nicht zu riskant sei, bei Umweltrisiken nur auf den Markt zu vertrauen, sagt sie. Heißt: In Zukunft könnte die EZB nur Papiere von politisch erwünschten Unternehmen kaufen. Dass sie diese nie wiederverkaufen könnte, dann würde sie ja die Guten bestrafen, kein Problem: Anleiheverkäufe, mit denen sie Geld wieder verknappen würde, sind nicht in Sicht.

Investoren schlugen sich förmlich um den EU-Sozialbond. Klar, der verzinst sich besser als deutsche Bundesanleihen und ist nicht riskanter – am Ende haftet auch hier der Bund. Überhaupt spielt die Finanzindustrie begeistert mit. Sie, die ihr Ansehen völlig ramponiert hat, darf wieder bei den Guten sein, mit klimaschützenden und sozialen Wertpapieren.

Keine Frage: CO2-Reduktion ist existenziell. Das marktwirtschaftliche Mittel dazu aber ist die Verteuerung der Emissionen – nicht die Förderung von Projekten über EU-Schulden und die Notenpresse. Die EZB soll den Euro stabil halten, aber keine Politik machen. Dazu hat sie kein Recht, weil sie nicht gewählt ist. Wiederaufbau auf ewig, Anleihekäufe fürs Klima: Es ist nicht viel Fantasie nötig, um weitere Felder zu finden, auf denen Lagarde sich nur zu gern entfalten würde.

Die giftige Geldflut


Die „schwäbische Hausfrau" ist tot. Politiker, Notenbanker und Ökonomen träumen groß, mitten in der Coronakrise, spendieren sich und uns Billionen. Die Geldschwemme mag kurzfristig helfen. Aber auf lange Sicht beerdigt sie nichts weniger als unsere Wirtschaftsordnung.

Diese Pandemie löst ein ökonomisches und soziales Beben aus, von dem wir erst die Vorläufer erleben. Eine Destabilisierung der bisherigen Weltordnung deutet sich an, die durch kein Kurzarbeitergeld verhindert werden kann. Fünf Dinge werden nie mehr sein wie zuvor:

1.        Die bisherige Welt beruhte unausgesprochen auf dem Trickle-Down-Effekt, also auf der Annahme, dass wenn es dem oberen Drittel gut geht, auch das untere Drittel profitiert. Dies erweist sich in der Krise als Illusion. Die ökonomischen Eliten – der Staatsdienst, die Kernbelegschaften der Traditionsunternehmen und die von der Börse finanzierten Technologie-Start-Ups - haben sich vom prekären Teil der Arbeitswelt entkoppelt, da wo Tagelöhner, Leiharbeiter und Soloselbstständige sich nun im Überlebenskampf befinden.
 
2.        Was in Amerika die Arbeitslosigkeit, ist in der Dritten Welt der Hunger. Soziale Unruhen, härter werdende Verteilungskämpfe und ein Anwachsen der Migrationsströme dürften mit Zeitverzögerung die Welt von morgen erschüttern. Bis ein Impfstoff entwickelt und global verteilt ist, wird das Virus in immer neuen Wellen angreifen.

3.        Die europäischen Sozialstaaten versuchen derzeit den Nachfrageausfall durch Billionen-Schulden zu kompensieren, was die Gegenwartsgesellschaft narkotisiert, aber das künftige Leben schwer belasten wird. Die Staatsverschuldung der Industriestaaten übersteigt signifikant heute schon das Niveau nach der Weltfinanzkrise und erreicht in Kürze den Stand der Weltkriegsjahre.

4.        Corona wirkt auf weite Teile der traditionellen Industrie wie eine Sterbehilfe. Der Retterstaat stützt und beteiligt sich in der Hoffnung, das Sterben zu verlangsamen. Doch die digitale Wertschöpfung ersetzt in beschleunigtem Tempo große Teile der Traditionswirtschaft, was im kometenhaften Aufstieg der Technologiebörsen seinen Ausdruck findet. Der von Wissenschaftlern prognostizierte Einsatz der Mensch-Maschine, die besser und präziser operieren, rechnen und fliegen kann als der Chefarzt, der Controller und der Lufthansa-Pilot, wird dadurch beschleunigt. Mit allem, was das für Millionen von gut bezahlten Jobs im Mittelbau unserer Gesellschaft bedeutet. Corona hat diese Entwicklung nicht ausgelöst, wohl aber beschleunigt.

5.        Was als medizinisches Infektionsgeschehen begann und sich nun in den weitverzweigten Leitungssystemen der Globalwirtschaft fortsetzt, dürfte auch die politische Landschaft verändern. Kosten-Nutzen Relationen, der Freiheitsbegriff, die Rolle des Staates und das Verhältnis gegenüber dem Anderen werden bei jeder globalen Seuche neu verhandelt. Es kommt, wir erleben das bei dieser Neu-Verhandlung zur gesellschaftlichen Kontroverse und womöglich zur Spaltung.

Fazit: Mit der Fortdauer der Pandemie verlängern sich die Schmerzen und vertiefen sich die Gegensätze. Die Welt von morgen wird eine andere sein.


Die 5 Irrtümer der Corona-Politik

Die Regierung verliert allmählich den Rückhalt der Bevölkerung. Das liegt im Wesentlichen an folgenden fünf Irrtümern, die auch dann Irrtümer bleiben, wenn sie zur Regierungspolitik erhoben wurden:

1.        Die Kanzlerin mit ihrer permanenten Alarmstimmung verpasst die Gelegenheit, die Krise als Chance für Reformen zu begreifen. Die große Steuerreform unterbleibt. Die Digitalisierungsoffensive wird wieder vertagt. Die Start-up-Szene, die neue Jobs zehntausendfach schaffen könnte, wird sonntags gefeiert und werktags vergessen. So steigt die schlechte Stimmung – und die Staatsquote.

2.        Die Regierung erschwert die Pandemiebekämpfung, weil sie mit der Mischung aus Großalarm und kleinkarierten Regeln die Eigenverantwortung der Bürger schwächt. Der Staat im Krisenmodus wird von Millionen Menschen mittlerweile nicht mehr als smart und besonnen, sondern als föderal gespalten und in seiner Detailfreude als übergriffig erlebt.

3.        Die Regierung geht, ermuntert vom Sachverständigenrat, noch immer von einer schnellen Erholung der Volkswirtschaft aus. Doch die globale Verschärfung der Pandemie, das Fehlen eines Impfstoffes und die Zweitrunden-Effekte der Rezession (kranke Firmen stecken andere Firmen an) machen eine schnelle Rückkehr unmöglich. Die Rettungsmilliarden narkotisieren, aber heilen nicht.

4.        Die Regierung hängt dem Irrglauben an, dass die Struktur unserer Volkswirtschaft nach Corona genauso aussehen wird wie vor Corona. Sie ignoriert den weltweiten Digitalisierungsschub. Ihre strukturerhaltenden Subventionen für TUI, Lufthansa, ThyssenKrupp und viele andere erschweren sogar den Transformationsprozess, statt ihn zu befördern. Deutschland wird strukturell geschwächt aus dieser Pandemie hervorgehen.

5.        Die Regierung hat ausgerechnet den deutschen Mittelstand und die Solo-Selbstständigen vergessen. Die großen Summen der Corona-Hilfsprogramme und das bürokratische Verfahren zu ihrer Auszahlung sind für Großkonzerne mit raffinierter Rechtsabteilung konzipiert. Der Mittelstand, und hier insbesondere die mittelständischen Dienstleistungen und der Kulturbetrieb, werden eine verlängerte Pandemie so nicht überleben können. Angela Merkel züchtet in der Mitte der Gesellschaft ihre Gegner.

Fazit: Die Kanzlerin müsste gerade jetzt die Nähe zum Volk suchen, um die Erosionsprozesse ihrer Macht zu stoppen. Doch sie setzt auf eine Politik der Strenge. Sie ist die Dressurreiterin mit der Gerte in der Hand. Sie ist die Mutter, die schreit. Sie ist die Katze, die faucht. Sie ist der Offizier, der die Rekruten in den Senkel stellt. Sie ist derzeit diejenige, die den Ton nicht trifft. Und wenn das Volk noch immer nicht verstehen will, drückt sie bei ihrem Podcast die Wiederholungstaste. Wer nicht hören will, hört zweimal.



Die Kanzlerin ruft Alarm und alle gruseln mit

Das große, die Aufmerksamkeit von Medien und Politik absorbierende Thema war auch am Wochenende 1. Nov. wieder: Covid-19. Die Kanzlerin ruft Alarm und alle gruseln mit.

Doch die nicht minder bedeutsame Urgewalt der Gegenwartsgesellschaft geht von der Digitalisierung aus, die mit jedem neuen Lockdown und durch die Tatsache, dass alle Politik nur noch Corona-Politik ist, enorm beschleunigt wird. Diese Kraft befällt nicht die Atemwege, wohl aber die Herzkranzgefäße der Industriegesellschaft.
Überall dort, wo diese Urgewalt erst unterschätzt und dann ignoriert wird, kommt es zur Zerstörung gut bezahlter Jobs in der Mitte der Gesellschaft, zur Abwertung bisher profitabler Industrien und schließlich zum Abstieg ganzer Staaten. Neue Zahlen und Prognosen aus den USA zeigen den tückischen Zusammenhang zwischen dem, was uns kurzfristig ängstigt und dem, was uns langfristig besorgen sollte.

  • Die Kapazitäten in der Cloud, da wo das Gold des 21. Jahrhunderts lagert, schwellen enorm an. Mittlerweile gibt es neben den bekannten Anbietern OneDrive, iCloud und Dropbox viele weitere Datensammelstellen, deren Speicherkapazität rasant zulegt. Deutschland ist in diesem Geschäft kaum vertreten, weshalb unsere Daten nach Übersee transferiert werden. Die Tage, in denen der traditionelle Einzelhandel das Einkaufserlebnis dominiert, scheinen gezählt. Für die USA prognostiziert Statista im eCommerce in den nächsten vier Jahren ein Wachstum von 78%.

    Die klassische Zeitungswerbung, die einige Verlage noch immer für das Fundament ihres Geschäftsmodells halten, verschwindet im Nebel der Geschichte. Laut dem Mediaagenturnetzwerk GroupM fließt 2024 nur noch ein Prozent der US-Werbeerlöse den Zeitungen zu.
  • Das wertvollste am Automobil war im 20. Jahrhundert der Verbrennungsmotor. Das wertvollste im Automobil des 21. Jahrhunderts wird die Fähigkeit zum Sammeln, Vernetzen und Steuern von Datensätzen sein. Auch deshalb ist Tesla heute an der Börse mehr als doppelt so viel Wert wie VW, Daimler und BMW zusammen.
  • Das digitale Zeitalter lebt keineswegs mehr von der Vision, sondern von realen Geldflüssen echter Kunden. Der amerikanische Online-Bezahldienst Paypal wird heute neue Rekorde feiern. Das Nettoergebnis stieg im dritten Quartal, über das heute offiziell berichtet wird, um 86 Prozent auf 1,5 Milliarden Euro. Das Zahlungsvolumen wuchs um 29 Prozent auf 222 Milliarden Euro.
  • Google steigerte seinen Gewinn im dritten Quartal gegenüber dem Vorjahreszeitraum um fast 60% auf 11,2 Mrd. $, Amazon verdreifachte von 2,1 Mrd. auf 6,3 Mrd. $. Facebook verzeichnet mit einem Gewinn von 7,85 Mrd. $ ein Plus von 29%. Zusammen mit Apple übertreffen diese vier Gewinnmaschinen den Gewinn aller DAX- Unternehmen, der im dritten Quartal bei 20,3 Mrd. lag, um fast das doppelte.
Fazit: Die Welt der Wirtschaft befindet sich keineswegs im Lockdown, sondern auf der Überholspur. Teile Deutschlands stehen in der Parkbucht. Einen Impfstoff gegen Covid-19 wird es bald geben; einen Impfstoff gegen die Modernisierung der Welt niemals.

Oder wie Sigmar Gabriel, der neue Chef der Atlantikbrücke sich im Handelsblatt-Interview ausdrückt: „Wenn wir technologisch und ökonomisch nicht an Gewicht zulegen, hat eine Partnerschaft mit Europa für die USA wenig Wert."

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