Aktuelles zur Völkerwanderung am 25. Oktober 2017

Bedingungsloses Grundeinkommen für alle – mit oder ohne unbegrenzter Zuwanderung?

Das Konzept des bedingungslosen Grundeinkommens klingt einfach und revolutionär - alle sollen unabhängig von Lebenssituationen ohne eine Bedürfnisprüfung Geld bekommen. Weder muss man bürgerschaftliches Engagement vorweisen, noch die Pflege von Angehörigen oder Versuche, Arbeit zu finden. Auch Kinder und alte Menschen erhalten es, genauso wie Reiche. Das Grundeinkommen soll so hoch sein, dass der Lebensunterhalt gesichert und soziale Teilhabe möglich ist.

Als Einkommen ohne Vorleistungen und ohne Bedarf stellt es das Gegenteil dar zum Leistungsprinzip des aktuellen Sozialsystems, das eine Grundsicherung von der Arbeitsbereitschaft abhängig macht und im Zweifel auf strenge bürokratische Kontrollen setzt. Dieser Kurswechsel wird u. a. mit drei Überzeugungen begründet. Ein Bedingungsloses Grundeinkommen ist demnach:
 

  • gerecht, weil der gegenwärtige Wohlstand auf die Leistungen aller zurückgeht, zum einen der vorangegangenen Generationen, zum anderen auf Tätigkeiten in allen Bereichen auch außerhalb des Arbeitsmarktes. Daher haben alle das gleiche Recht auf einen Anteil daran.
  • sinnvoll, weil es die Freiheit des Einzelnen stärkt und eine neue Kultur der Anerkennung aller gesellschaftlich notwendigen Bereiche schafft. Damit werden wichtige Tätigkeiten außerhalb des Arbeitsmarktes aufgewertet wie die Sorge für Familien oder für das Gemeinwesen, demokratische Teilhabe wird gefördert.
  • machbar, weil bei vorhandener Produktivität hinreichend Wohlstand erzeugt wird, dass es finanzierbar ist. Die Entkopplung von Arbeit und Einkommen entspricht genau der längst eingetretenen Entkopplung von menschlicher Arbeitsleistung und produzierten Werten.

Arbeit und Beschäftigung müssen neu gedacht werden. Mit der zunehmenden Digitalisierung und dem vermehrten Einsatz von Robotern dürften viele Jobs verschwinden. Eine Lösung für die neuen Herausforderungen der Arbeitswelt könnte das Grundeinkommen für alle sein. Ist diese Forderung eine Notwendigkeit und die Zukunft des Sozialstaats?  Wie verhalten sich Menschen, die Geld für ihren Lebensunterhalt bedingungslos erhalten?

Befürworter gehen davon aus, dass Menschen weniger Stress, weniger Sorgen, mehr Motivation, keine Existenzangst und keine Angst vor Arbeitsplatzverlust haben würden. Kritiker sehen schon viele in der Hängematte rumhängen und finden, dass es unbezahlbar wäre.

Auch wenn vieles für ein bedingungsloses Grundeinkommen spricht, sofern es nur für deutsche Staatsbürger gilt, so gibt es doch ein unüberwindliches Hindernis. Die meisten Befürworter wollen das Grundeinkommen für alle – Deutsche, EU-Bürger, Nicht-EU-Bürger -, die auf deutschen Boden leben. Die Folgen wären unabsehbar. Denn die Frage der Zuwanderung ersparen sie sich. Es ist der blinde Fleck des bedingungslosen Grundeinkommens. Daher ist eine Finanzierung für alle unrealistisch.

Andererseits kommt hinzu: Ein Grundeinkommen nur für deutsche Staatsbürger wäre jedoch unvereinbar mit dem europäischen Binnenmarkt und würde Deutschland in eine Zweiklassengesellschaft - Deutsche und EU-Bürger - spalten, ein unhaltbarer Zustand.

Zwei Debatten beherrschen derzeit fast jedes Gespräch über die nahe Zukunft unserer westlichen Gesellschaften. In der einen heißt die Diagnose „Fachkräftemangel" und die Lösung verspricht man durch „Fachkräftezuwanderung". In der anderen heißt die Diagnose „Digitalisierung ersetzt menschliche Arbeit" und als soziale Medizin gilt das „bedingungsloses Grundeinkommen". Wenn man will, kann man derzeit von einer Tagung übers Grundeinkommen fast pausenlos zur nächsten weiterfahren. Und dem Fachkräftemangel kann man gerade in Zeiten der Koalitionsverhandlungen ohnehin nicht entkommen.

Seltsamerweise laufen beide Debatten aneinander vorbei. Die vor Fachkräftemangel warnen, scheinen in einer völlig anderen Welt zu leben als diejenigen, die eine Rückkehr der Massenarbeitslosigkeit befürchten durch Digitalisierung, die den Menschen nicht nur viel Handarbeit im produzierenden Gewerbe, sondern auch zahlreiche Schreibtisch-Tätigkeiten – etwa im Controlling und Rechnungswesen – wegnehmen werden.

Es ist, als ob da zwei Zukünfte auf uns zukämen, die nichts miteinander zu tun hätten!

Bedingungsloses Grundeinkommen

Der Fachkräftemangel- und Fachkräftezuwanderungsdiskurs ist einfach zu erklären. Letztlich erkennt man da nur ein interessengeleitetes ökonomisches Interesse der Arbeitgeber, das so alt ist wie die Marktwirtschaft selbst. Man muss keineswegs Kommunist sein, um die Theorie der „industriellen Reservearmee" von Karl Marx auch heute noch bestätigt zu sehen. Sie ist ja auch recht banal. Arbeitgeber profitieren doppelt von einem Anstieg des Arbeitnehmerangebots: Erstens drücken die nach Beschäftigung Suchenden den Lohn der tatsächlich Beschäftigten, zweitens ermöglichen sie bei Gelegenheit eine rasche Ausdehnung der Kapazitäten, eröffnen also Spielraum für Unternehmertum. Daher ist auch zu verstehen, dass die Arbeitgeberseite eine unbegrenzte Zuwanderung nach Deutschland positiv begleitet.

Darum trennen die Interessenvertreter der Arbeitgeber diese kurzfristig orientierte Werbekampagne streng ab von ihren zugleich erhobenen Forderungen nach staatlichen Investitionen in die Digitalisierung, die dem langfristigen Erhalt ihrer internationalen Wettbewerbsfähigkeit dienen. In keiner Pressemitteilung eines Verbandes über den drohenden Fachkräftemangel wird erwähnt, dass die Digitalisierung wohl einen großen Teil der heute noch „Fachkräfte" zu dann Nicht-Mehr-Fachkräften machen wird. Der Ökonom und Demograf Thomas Straubhaar gehört zu den wenigen, die es so klar sagen: „Der Fachkräftemangel ist ein Phantom."

Welche Folgen die technologische Effizienzsteigerung durch Maschinen für eine Gesellschaft haben können, wenn sie nicht von funktionierenden sozialen Sicherungssystemen aufgefangen werden, zeigt die Geschichte des 19. Jahrhunderts: die Verelendung ganzer Klassen und ihre Entfremdung von den Besitzenden, am Ende drohen Klassenkämpfe und Revolutionen. Der Sozialstaat und die „soziale" Marktwirtschaft waren die Antwort.

Konzepte zur Förderung eines bedingungslosen Grundeinkommens

Das bedingungslose Grundeinkommen soll jetzt der neue große Wurf zur Lösung dieses drohenden Problems der durch die Digitalisierung entbehrlich gewordenen Arbeitskraft sein. Längst sind es nicht mehr nur randständige Idealisten, die es für die Zukunft des Sozialstaates halten, sondern auch viele Manager, Professoren und Politiker.

Da Arbeit zunehmend durch vernetzte Maschinen erledigt wird, mache es keinen Sinn, vor allem Einkommen aus Arbeit zu besteuern und mit Abgaben zu belegen, Gewinne vor allem aus der Digitalwirtschaft und aus Finanzanlagen dagegen zu schonen. Also soll der Staat seine Steuerbasis von der Arbeit auf das Kapital verlegen und daraus „allen" ein Einkommen deutlich über den bisher üblichen Sicherungsleistungen des Sozialstaates zahlen. Von mindestens 1.000 € im Monat ist meist die Rede – bis ans Lebensende. Dafür könnte mit den bisherigen Bedingungen für den Bezug von Leistungen auch das gesamte Sozialversicherungswesen samt Bürokratien entfallen. Das Versprechen: mehr soziale Gerechtigkeit bei weniger Kontrolle und mehr Freiheit.

Restlos überfordert

Interessanter und pikanter als die Standartgegenargumente sowohl von Marktliberalen als auch von Gewerkschaftern – es drohe eine allgemeine Leistungsentwöhnung einerseits und der Verrat am Versprechen des sozialen Aufstiegs durch Lohnarbeit andererseits – ist aber die Frage danach, wer genau denn nun jene „alle" sein sollen. An dieser Frage entscheidet sich nämlich, ob das Konzept eine realistische politische Option oder nur eine Fantasterei sein kann. Und diese Frage wäre auch der empfindliche Berührungspunkt mit der Fachkräftemangel-Behauptung: Wie passen Grundeinkommen und Zuwanderung zusammen?

Die meisten, die das Grundeinkommen fordern, blenden diese Frage einfach aus. Sie sprechen von „allen" und „bedingungslos", ohne zu hinterfragen, ob das nun alle deutschen Staatsbürger sein sollen, einschließlich aller EU-Bürger oder schlicht wirklich alle Menschen, die in Deutschland leben. Die aktivsten Befürworter, die sich im „Netzwerk Grundeinkommen" zusammengeschlossen haben, fordern: „Das Grundeinkommen ist ein Menschenrecht, nicht ein Recht, das an eine bestimmte Nationalität gebunden ist. Das Ziel des Netzwerks ist die europa- und weltweite Einführung des Grundeinkommens und der Zugang aller Menschen zu einem Grundeinkommen, egal wo sie leben."

Damit hängen sie ihr Ziel so hoch, dass es letztlich unerreichbar wird. Ein aus den Steuern der Kapitalbesitzer finanziertes und vom Staat verwaltetes Einkommen ist schließlich nichts anderes als ein radikal reformierter, vereinfachter, aber in seinen Zahlungsvolumina noch deutlich vergrößerter Sozialstaat. Und der ist nicht nur historisch, sondern auch gegenwärtig an den Nationalstaat gebunden.

Nationen sind die bei Weitem wichtigsten Institutionen für die Besteuerung. Nur wenn Menschen auf dieser Ebene eine starke gemeinsame Identität besitzen, sind sie dazu bereit, Steuern für eine Umverteilung zu zahlen. Die Umverteilung durch Nationen stellt nicht nur die Umverteilung aller höherrangigen Systeme (EU) der Zusammenarbeit in den Schatten, sondern auch alle niederen.

Nationen funktionieren als Steuerumverteilungssysteme, weil sich, auf emotionaler Ebene (z. Bsp. Sport), die Identifizierung mit einer Nation als äußerst wirkungsvolles Mittel erwiesen hat, um Menschen aneinander zu binden. Daher ist eine gemeinsame Identität über die nationale Ebene hinaus, äußerst schwierig, wie wir es in der EU sehen. Die Tatsache, dass öffentliche Güter vorwiegend auf nationaler Ebene bereitgestellt werden, ist darauf zurückzuführen, dass sich Nationen als kollektive Identität erwiesen haben. So ist auch zu verstehen, dass während der Oderflut 1997 eine Welle der Hilfsbereitschaft aus allen Teilen Deutschlands erfolgte.

Jedes System der Solidarität setzt, wenn es nachhaltig sein soll, voraus, dass die Gruppe der potentiellen Nehmer beschränkt bleibt und im Großen und Ganzen identisch ist mit der Gruppe der Einzahler.

Die Debatte um die Zukunft der Arbeit und erst recht die Debatte um den Sozialstaat muss aber, wenn sie mehr als Traumtänzerei sein soll, endlich ehrlich geführt werden. Das heißt, sie muss unter Einbeziehung der Zuwanderungsrealität geführt werden. Und diese Realität ist entgegen eines sentimentalen Vorurteils von Zuwanderern geprägt, die in der großen Mehrzahl zwar „Flüchtlinge" genannt werden, es aber streng genommen nicht sind.

Bei den in Deutschland im Jahr 2015 abgeschlossenen Verfahren wurden gerade einmal 0,7% der Antragsteller nach dem deutschen Grundgesetz als Asylsuchende anerkannt. 48% wurden pauschal nach der Genfer Flüchtlingskonvention akzeptiert, weil sie aus Kriegsgebieten stammen (Quelle Bundesamt für Migration und Flüchtlinge 2016).

Denn sie kommen, wie die geringen Asyl-Anerkennungsquoten zeigen, selten wegen Verfolgung in ihrer alten Heimat nach Deutschland, sondern werden vielmehr angezogen von ökonomischen Möglichkeiten und, ja, auch de facto bedingungslos gezahlten Staatsleistungen, die es in ihren Heimatländern so nicht gibt.

Ein in Deutschland eingeführtes Grundeinkommen, das jedem Erdbewohner zustünde, der es irgendwie schafft, Deutschlands Grenzen zu überschreiten, würde die Sogwirkung, die ohnehin vom deutschen Sozialstaat ausgeht, extrem verstärken. 1.000 € im Monat sind in den meisten Herkunftsländern ein kaum durch Arbeit zu erzielendes Einkommen. Der Grundeinkommensstaat wäre, wenn er sich nicht konsequent gegen ausländische Empfänger abgrenzt, schnell restlos überfordert.

Wer den Sozialstaat langfristig erhalten oder ihn gar zu einer Instanz für die Auszahlung eines bedingungslosen Einkommens umwandeln will, muss sich also klarmachen, dass das kein Grund- oder Menschenrecht sein kann. Je nachhaltiger und zahlungskräftiger man den Sozialstaat machen will, desto konsequenter muss die Abgrenzung gegen nicht Anspruchsberechtigte sein.

Anders herum formuliert: Wer von No-Borders und One-World sprechen will, sollte vom bedingungslosem Grundeinkommen lieber schweigen.


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