Aktuelle Lage der Euro- und Staatsschuldenkrise am 30. September 2017


Banken-Krise am Horizont: Nach der Wahl wird es ungemütlich

Die neue deutsche Regierung, die wahrscheinlich von der CDU/CSU, der FDP und den Grünen gebildet wird, kann nicht mit den bloß umverteilenden Reformen der alten Koalition weitermachen, und sie kann sich auch nicht damit begnügen, die Probleme Europas von den Druckerpressen der Europäischen Zentralbank (EZB) übertünchen zu lassen. Die Bürger wollen keine Ideologie mit salbungsvollen Sprüchen mehr, sondern tatkräftige Reformen die das Land voranbringen. Sie wollen auch nicht mehr von den Leit(d)medien bevormundet werden, sondern verlangen zu Recht, dass diese Medien ihnen zuhören.

Im Wahlkampf 2017 haben alle Berliner Parteien es tatsächlich geschafft, das Thema Euro aus dem Wahlkampf praktisch komplett herauszuhalten. Der Zeit-Kauf hat funktioniert. Aber ebenso wie die Trader in den Banken vor 2007 bei ihrer Zockerei die Risiken auf die Aktionäre der Banken und die Steuerzahler abwälzten während sie die Gewinne aus der Risikoübernahme für sich einstrichen, so streicht gerade die Politik den Gewinn ihrer ganz eigenen Zockerei ein, für deren Risiko wir alle sehr bald werden geradestehen müssen.

Für den deutschen Steuerzahler sind das keine guten Nachrichten. Entweder es kommt zu einer Transferunion, die Deutschland ausblutet, oder es bleibt bei der Niedrigzinspolitik, die die Altersvorsorge ruiniert. Oder aber Deutschland steigt aus dem Euro aus. Darüber durfte der Wähler nicht abstimmen.

Wir müssen der Politik die nötige Zeit kaufen". Das ist das Standardmantra der EZB, wenn es darum geht, die entlastenden Wirkungen ihrer Zinspolitik auf die Staatshaushalte vor allem der südlichen Länder im Euro zu rechtfertigen. Obwohl schon diese Aussage eigentlich das Geständnis illegaler Staatsfinanzierung beinhaltet regt sich in einem Europa mit vielen staatlichen, regierungsnahen oder ideologischen Medien kein Mensch mehr über diesen Rechtsbruch auf.

Heute funktioniert das Euro-System nur noch deshalb, weil die Risikoteilung zu Lasten Deutschlands niedrige Finanzierungskosten zugunsten der überschuldeten und sparresistenten Südländer ermöglicht, bei der Deutschland den Südländern seine Bonität leiht, durch gemeinsam verbürgte Anleihen oder durch eine gemeinsame Einlagensicherung der Banken. Ohne diese Risikobeteiligung würde das Euro-System nicht mehr funktionieren.

Die Nullzinspolitik der EZB hat dafür gesorgt, dass Italien, Frankreich, Griechenland und andere sich noch tiefer in den Schuldensumpf begeben haben, weil es noch nie so billig war, verantwortungslos zu sein. Gleichzeitig hat die Nullzinssubvention ein Heer von Zombieunternehmen geschaffen, die unter normalen Finanzierungsbedingungen in den letzten 10 Jahren Pleite gegangen wären und die eine Zinserhöhung nicht überleben würden. Sie stellen mittlerweile gut 10% aller Unternehmen in Deutschland und Europa, beschäftigen 10% der Arbeitnehmer und stehen für mindestens 10% der Unternehmenskredite der Banken in Euroland. Ihre Arbeitnehmer stehen für 10% aller Wohnimmobilienkredite und Konsumentenkredite. Das alles kommt ins Rutschen bei einer Zinswende. Nicht nur die Pleiten der Südländer, auch die Pleiten dieser Unternehmen werden dann nachgeholt und reißen unser gesamtes Banken- und Finanzsystem in den Abgrund.

Und genau deshalb kann die EZB die Zinsen nicht erhöhen, egal wie laut der Chor ihrer Gegner auch anschwillt. Daran würde auch ein anderer EZB-Chef als Mario Draghi nichts ändern können, obwohl dieser ganz klar die Verantwortung für das Loch trägt, das sich die Geldpolitik gegraben hat und in dem wir jetzt alle zusammen sitzen. Die EZB wird also weiterhin daraufsetzen, Zeit zu kaufen, egal welche Regeln dafür umgangen und welche Rechtsbrüche in Kauf genommen werden müssen. Die Legislativen und Judikativen Eliten der Staaten Europas werden ihr nach aller Erfahrung nicht in den Arm fallen, auch nicht das Bundesverfassungsgericht, das auf der abschüssigen Bahn der Abwägung von Rechtsbruch und den Folgen korrekter Rechtsprechung ebenfalls schon viel zu weit gerutscht ist, um noch eine Vollbremsung hinlegen zu können.

Im EZB-Turm gibt man sich deshalb selbstzufrieden und bräsig (dickfellig, gefühllos) der Illusion hin, dass es immer weiter möglich sein wird, noch mehr Zeit zu kaufen und die Anpassungskrise zu verhindern. Das ist ein Trugschluss.

Mario Draghi und seine Paladine haben nämlich noch nicht so recht mitbekommen, dass eine Zinswende nicht der einzige Zünder ist, der das Ungleichgewicht zur Detonation bringt. Wie jede ordentlich gebaute Bombe hat auch diese mehrere davon und es liegt eine gewisse Ironie darin, dass die EZB auch diesen selbst dort eingebaut hat, wenn auch wahrscheinlich aus Versehen.

Das Niedrigzins-Umfeld und der verstärkte Trend zum Online-Banking haben bei den Banken in der Europäischen Union im vergangenen Jahr zum Abbau von rund 50.000 Arbeitsplätzen geführt. Zudem seien 9.100 Filialen geschlossen worden, teilte die Europäische Bankenvereinigung laut Reuters mit. Damit seien in der Branche EU-weit nur noch 2,8 Millionen Menschen beschäftigt, so wenige wie seit 1997 nicht mehr.

Zum Jahreswechsel habe es noch 189.000 Filialen gegeben, erklärte die Vereinigung. Dabei habe sich die Zahl der Schließungen zuletzt erhöht. Seien 2015 noch drei Prozent der Niederlassungen dichtgemacht worden, seien es 2016 etwa 4,6 Prozent gewesen. Insgesamt hätten die Geldhäuser seit 2008 jede fünfte Filiale geschlossen.

Die expansive Geldpolitik der EZB mit ihren Niedrig– und Negativzinsen hat dazu geführt, dass Banken kaum noch Erträge mit dem Kreditgeschäft erzielen können. Viele versuchen deshalb, über höhere Gebühren Einnahmen zu erzielen – zu Lasten ihrer Kunden. Zum Teil suchen sie ihr Heil auch in Zusammenschlüssen – ein Trend, der 2009 begann. Im vergangenen Jahr gab es EU-weit noch 6.596 Banken, sechs Prozent weniger als 2015.

Der ehemalige Vorstandsvorsitzende der US-Großbank Citigroup, Vikram Pandit, sagte kürzlich in einem Interview mit Bloomberg, dass er damit rechne, dass in den kommenden 5 Jahren rund 30 Prozent der Arbeitsplätze in der Bankenbranche weltweit wegfallen würden. Als Grund für den Abbau gab Pandit den vermehrten Einsatz digitaler Serviceangebote und Roboter an.

Es handelt sich dabei um die Ertragserosion der Banken bei gleichzeitiger Kostenexplosion. Seit Jahren können die kommerziellen Banken, die für die Kreditversorgung der Wirtschaft unerlässlich sind, aus ihrem Geschäftsmodell, Einlagen hereinzunehmen und Kredite auszureichen keine auskömmlichen Erträge mehr erzielen, weil die von der EZB künstlich bei null platt gedrückte Zinskurve dies unmöglich macht. Sparmargen können nicht mehr erwirtschaftet werden, weil der Kapitalmarktzins für Tagesgeld negativ ist durch die Strafzinsen der EZB. Transformationsmargen können nicht mehr realisiert werden, weil das Zinsänderungsrisiko zu hoch ist. Daher stürzen sich alle Banken auf den Kredit und schaffen so ein Überangebot, das zu risikoauskömmlichen Preisen nicht mehr an den Kunden zu bringen ist.

Die Vorstellung, die in der jüngsten Umfrage von Bundesbank und BaFin zutage getreten ist, nämlich dass die Banken hoffen, dies mit neuen Gebühren und Gebührenerhöhungen in Milliardenhöhe kompensieren zu können, ist angesichts des Wettbewerbs mit kostengünstigen FinTechs und Direktbanken geradezu abenteuerlich. So zeigen auch die letzten Daten, dass die Gebühreneinnahmen der Banken in Deutschland zuletzt sogar zurückgegangen sind.

Das Ergebnis wird sein, dass sich in den nächsten Jahren immer mehr Banken auf die Reise zu einer Cost-Income-Ratio (Aufwand-Ertrag-Verhältnis) von über 100% machen werden. Bei einer heute schon beobachtbaren Schrumpfung der Zinsmargeneinkommen um ca. 10% pro Jahr werden wir vor dem Ende der Legislaturperiode etwa 2020 eine Mehrzahl der Banken operativ rote Zahlen schreiben sehen und zwar ohne dass dafür größere Kreditausfälle oder andere Unfälle des Risikomanagements notwendig wären. Diese operativen Verluste reduzieren das Eigenkapital der Banken. Die Städte und Gemeinden, die heute in Verkennung der Lage ihre Sparkassen zur Ausschüttung von Scheingewinnen an den Stadtsäckel zwingen, um damit Lieblingsprojekte der um Wählergunst buhlenden Bürgermeister zu finanzieren, werden sich dann noch wünschen, dass sie das nicht getan hätten.

Das abschmelzende Eigenkapital wird die Banken zwingen, ihre Kreditvergabe einzuschränken, ja sogar zu reduzieren. Eine Cost-Income-Ratio (CIR) von 110% verbraucht im Schnitt schon so viele Eigenmittel, dass die finanzierbare Kreditsumme um ca. 3% schrumpft und zwar pro Jahr. Bei einer Margenerosion von 10% pro Jahr wird die Gewinn- und Verlustrechnung aber dort nicht Halt machen. Ein Jahr später werden es dann schon 120% CIR sein, die das Eigenkapital doppelt so schnell erodieren werden.

Die damit herbei geführte Kreditschrumpfung erzwingt eine Reduzierung der Giralgeldschöpfung und mündet durch die Verringerung der Geldmenge in genau dem fatalen Deflationsprozess, den die Zentralbank angeblich so unbedingt verhindern will. Der einsetzende Schrumpfungsprozess der Wirtschaft wird die Zombieunternehmen dann auch in ihr Grab schicken.

Alle bekannten Zahlen deuten darauf hin, dass dieser Prozess in der zweiten Hälfte der aktuellen Legislaturperiode einsetzen wird, wenn die Zinspolitik keine Wende herbeiführt. Führt sie die Wende aber herbei, dann tötet die Medizin den Patienten. Wir haben den Körper der Volkswirtschaft mit dem Rauschgift des billigen Geldes so gründlich verseucht, dass er den Entzug nicht überlebt und die Fortsetzung der Vergiftung das Multiorganversagen auslöst.

Es ist insofern tröstlich zu wissen, dass die Verantwortlichen (besonders Fr. Merkel), die uns seit Jahren erklären, wie gut es uns geht, zu diesem Zeitpunkt noch im Amt sein werden, um diese Suppe auch selbst auszulöffeln.

Trotz des Reichtums sind viele Banken und einzelne Staaten in Südeuropa überschuldet, und weil die EZB die Gläubiger absichert, verschulden sie sich immer mehr. Die Schuldenlawine sollte durch Schuldenschnitte und, soweit Staaten betroffen sind, durch Austritte aus dem Euro nebst Abwertungen gestoppt werden, um die Wettbewerbsfähigkeit dieser Länder wiederherzustellen. Die deutsche Regierung muss den Partnern in Südeuropa klarmachen, dass das Euro-System kein Selbstbedienungsladen ist, der die angemessene Besteuerung seiner Bürger entbehrlich macht.

Die Hälfte des Nettoauslandsvermögens Deutschlands besteht aus Überziehungskrediten (Target-Kredite), die die Bundesbank den anderen Zentralbanken des Euro-Systems hat gewähren müssen, derzeit ca. 850 Mrd. €. In den USA müssen solche Kredite zwischen den Distriktnotenbanken einmal im Jahr getilgt werden. Auch Europa braucht ein Tilgungssystem, um der Selbstbedienung der finanzschwachen Länder ein Ende zu bereiten. Deutschland kann das ohnehin deutlich reichere Südeuropa nicht miternähren.

Allein die Stimmrechtsverteilung im Zentralbankrat ist ein Skandal. Sie ist völlig losgelöst von demokratischer Legitimation oder Haftung für die Folgen der getroffenen Entscheidungen. Malta, Zypern und Luxemburg haben gemeinsam dreimal so viel Stimmgewicht im Zentralbankrat wie Deutschland. Die Stimme eines zypriotischen Wählers wiegt dort so viel wie 102 Stimmen deutscher Wähler, die eines Maltesers über 200-mal so viel. Man könnte das geldpolitische Apartheid nennen.

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