Wie Verlierer den Wahlsieger austricksen - am 5. Oktober 2024
Wie Verlierer einer Landtagswahl den Wahlsieger austricksen
Berlin ist nicht Weimar und Höcke nicht Hitler. Doch seit dem Wahlsieg der AfD in Thüringen kennt die Hysterie keine Grenzen.
Was sich während der konstituierenden Sitzung im Thüringer Landtag am Donnerstag – 26. Sept. 2024 - abgespielt hat, ist eine Schande für die Demokratie. Der Verursacher ist aber nicht die AfD. Es sind die selbsternannten „demokratischen" Kräfte unter Führung der CDU.
In Thüringen war am Donnerstag verkehrte Welt. Aus der Landtagswahl vom 1. September ging die AfD als klare Siegerin hervor; sie stellt mit Abstand die stärkste Fraktion. Am Donnerstag nun sollte sich der neue Landtag konstituieren. Es war ein verstörendes Schauspiel. CDU, BSW, Linke und SPD taten alles, um die AfD um ihre Rechte zu bringen, sie sogar zum Rechtsbruch zu verleiten – und inszenierten sich obendrein noch als die Hüter der Demokratie.
Die um 12 Uhr eröffnete Sitzung wurde das erste Mal um 12 Uhr 12 unterbrochen, das zweite Mal um 12 Uhr 28 – und immer so weiter, bis sie nach 16 Uhr ergebnislos endete. Der Alterspräsident des neuen Landtags, Jürgen Treutler (AfD), hatte sich bis dahin streng an die aktuelle Geschäftsordnung gehalten, kam allerdings nicht weit. Man erlaubte ihm zunächst, eine Rede zu beginnen, die er jedoch aufgrund von Störmanövern der CDU lange nicht beenden konnte. Als ältester Abgeordneter fungiert er kommissarisch als Präsident des neuen Landtags, bis der Präsident gewählt ist.
In seiner Ansprache betonte er, von einer Abkehr des Volkes von der Demokratie könne keine Rede sein. Die Wahlbeteiligung sei mit 73,6% die höchste seit 1994 gewesen. Dem so geäußerten Willen des Volkes gelte es nun gerecht zu werden.
Es gebe „in gewissen Teilen der politisch-medialen Elite" jedoch eine „offenkundige Verachtung des Volkes, eine Verachtung des demokratischen Souveräns, die mit der politischen Kultur der freiheitlich-demokratischen Ordnung nicht vereinbar ist", sagte Treutler mit Blick auf Zeitungskommentare, in denen die Thüringer Wähler als demokratiefeindlich beschimpft worden seien, weil sie in großer Zahl AfD gewählt haben. Die Realität drohe hinter solchen Deutungen manchmal zu verschwinden, stellte er fest.
Das Schauspiel im Erfurter Landtag war unwürdig, und die begleitende Berichterstattung war teilweise so intoniert, als ob es Treutler gewesen sei, der gegen die demokratische Ordnung verstoßen habe.
Der CDU-Spitzenmann Mario Voigt will um jeden Preis selbst Ministerpräsident werden. Die Wahrscheinlichkeit dafür ist angesichts der Plagiatsvorwürfe seiner Doktorarbeit sehr gering. Das kann er nur, wenn er sich kleinere Partner sucht. Da weder Grüne noch FDP zur Verfügung stehen, weil sie nicht ins Parlament kamen, muss er auf linke Parteien zurückgreifen. Die SPD ist mit sechs Sitzen viel zu klein, also wird der Neuzugang BSW umarmt. Ob der Wähler dieses Ergebnis wollte, erscheint mehr als zweifelhaft.
Dabei liegt es eigentlich auf der Hand: Die AfD hat die Wahl gewonnen. Die CDU könnte mit ihr eine bequeme Mehrheit haben, wenn sie sich nicht – erstens – in ihrer Brandmauer eingemauert und wenn sie – zweitens – einen weniger machtversessenen Kandidaten hätte.
Doch bei Koalitionen ist man sowieso noch längst nicht. Im Landtag am Donnerstag ging es zunächst darum, das Gesetzgebungsorgan überhaupt arbeitsfähig zu machen. Dafür benötigt es nun einmal einen Präsidenten, und diesen vorzuschlagen, ist das Recht der stärksten Fraktion, der AfD.
Streit um Rechtsauslegung
Während der zahlreichen Unterbrechungen wurde der Ton des Parlamentsfernsehens abgeschaltet, man sah zweierlei: den CDU-Mann Voigt unbeweglich wie Buddha auf seinem Stuhl direkt gegenüber dem Präsidentenpult; und an diesem die Runde der parlamentarischen Geschäftsführer, gestikulierend.
Weit nach 14 Uhr hatte man den ersten Tagesordnungspunkt „Eröffnung durch den Alterspräsidenten" noch immer nicht beendet. Treutler wurde daran gehindert, seine Eröffnungsrede zu beenden, insbesondere durch ständige Zwischenrufe und Respektlosigkeiten vonseiten der CDU. Die Fraktion, die sich als besonders demokratisch feiert, beachtete keine demokratischen Gepflogenheiten.
Sie verlangte zudem, dass sofort die Beschlussfähigkeit festgestellt werde, und kündigte an, dies zu erzwingen. Das war ohnehin als Punkt drei der Tagesordnung vorgesehen. „Als Alterspräsident bin ich verpflichtet, die geltenden Rechtsnormen strikt zu achten", sagte Treutler. Zuerst müssten Schriftführer benannt werden. Von der Reihenfolge könne nicht abgewichen werden. Noch sei man bei Tagesordnungspunkt eins, und er wolle seine Rede zu Ende bringen.
Undemokratisch sind immer die anderen
Dafür erntete er aus der CDU den Zwischenruf: „Was Sie hier tun, ist Machtergreifung!" – ein Tiefpunkt des Tages. Tatsächlich verhielt sich Treutler korrekt, während die CDU in beispielloser Weise Obstruktion betrieb. Dabei hätte sie es recht einfach haben können.
Richtig interessant wäre es nämlich erst bei den Tagesordnungspunkten vier und fünf geworden, zu denen man nun nicht mehr kam. Punkt vier war nachträglich eingefügt worden mit dem Ziel, der AfD das Vorschlagsrecht für das Amt des Landtagspräsidenten zu nehmen, und hatte eine entsprechende Änderung der Geschäftsordnung zum Gegenstand. Punkt fünf sah dann die Wahl des Landtagspräsidenten vor, den nach der neuen Geschäftsordnung nun eine Mehrheit der Abgeordneten ohne AfD-Vorschlag wählen sollte.
Die Geschäftsordnung kann aber von einem noch nicht beschlussfähigen Parlament nicht geändert werden. Der Versuch, die Regeln zu frisieren, zeigte vor allem, dass jene, die sich für besonders demokratisch halten, es, wenn es darauf ankommt, mitunter nicht sind. Vor dem Gesetz sind alle gleich, und niemand kann sich aus einem bestehenden Regelwerk aussuchen, welche Regeln angewendet werden und welche nicht.
Kurioserweise stand nun gerade die Thüringer AfD, die vom Verfassungsschutz als gesichert rechtsextremistisch eingestuft wird, als demokratisch korrekt da.
Nach 16 Uhr kam die CDU am Donnerstag zu dem Schluss, dass man das thüringische Verfassungsgericht wohl zu Rate ziehen müsse, und beantragte die Unterbrechung der Sitzung bis zu dessen Entscheidung. Am Samstag soll es weitergehen. Das mit einem CDU-Mann an der Spitze besetzte thüringische Verfassungsgericht entschied im Sinne der CDU. Ein Schelm, der Böses dabei denkt. Der Donnerstag war kein guter Tag für die Demokratie.
Im zweiten Anlauf: Thüringen ist es gelungen, das Landesparlament arbeitsfähig zu machen und einen Präsidenten zu wählen
Nach den Tumulten der ersten konstituierenden Sitzung und dem Entscheid des Landesverfassungsgerichts verlief die Sitzung am Samstag unfallfrei. Eine Allparteienkoalition steht gegen die AfD. Deren Kandidatin erhält auch kein Vizepräsidentenamt.
Um 10 Uhr 46 am Samstagmorgen ist Jürgen Treutler seinen Job endlich losgeworden. Thüringen hat nun einen neuen Landtagspräsidenten: Thadäus König von der CDU. Der AfD-Abgeordnete Treutler trat als Alterspräsident ab. Am Samstagmorgen gelang es somit im zweiten Anlauf, den zu Monatsbeginn gewählten Landtag doch noch arbeitsfähig zu machen.
Damit aber noch nicht genug. Die Beschneidung der verfassungsmäßigen Rechte der AfD ging weiter. Mit einer Änderung der Geschäftsordnung hat der Thüringer Landtag die Sitzverteilung in den Ausschüssen zugunsten der kleineren Parteien verschoben. Leidtragende ist die AfD, die auf diese Weise dort ihre Sperrminorität verliert, über die sie im Plenum komfortabel mit 32 (36,36%) von 88 Sitzen verfügt. Bisher hatte ein Ausschuss im Thüringer Landtag 14 Sitze. Mit 5 Sitzen (35,71%) hätte die AfD damit in den Ausschüssen eine Sperrminorität. Nun sind die Ausschüsse auf 12 Sitze reduziert worden. Die AfD hat nun 4 Sitze pro Ausschuss.
Die AfD-Fraktion kündigte an, deswegen Klage vor dem Landesverfassungsgericht einzureichen. Diesbezügliche interne Beratungen ließen nur diesen einen Schritt zu. Denn: „Damit wird der Wählerwille konterkariert", sagte Pressesprecherin Linda Winzer. Die neue Sitzverteilung widerspreche „jeglicher Gesetzeslage". Außerdem verletze sie den „Grundsatz der Spiegelbildlichkeit". Dies bedeutet, dass in den Ausschüssen dieselben Mehrheitsverhältnisse herrschen müssen wie im Parlament.
Artikel 62 der Landesverfassung Thüringen
(1) Zur Vorbereitung seiner Verhandlungen und Beschlüsse setzt der Landtag Ausschüsse ein. In der Zusammensetzung der Ausschüsse haben sich die Mehrheitsverhältnisse im Landtag widerzuspiegeln.
Fazit: So haben es die „demokratischen Parteien" geschafft, den Wahlsieger, die AfD, nicht nur den Landtagspräsidenten und den Vizelandtagspräsidenten, sondern auch die Sperrminorität in den Ausschüssen vorzuenthalten.
Somit kann sich die AfD weiterhin in der „Opferrolle" präsentieren. Der Wähler ist nicht blöd. Er durchschaut doch diese Tricksereien. Ein weiteres Erstarken der AfD ist damit höchst wahrscheinlich.
Fatale Auswirkung dieser „Politik der demokratischen Parteien" ist auch: Mit dem weiteren Erstarken der AfD wird die antiwestliche Ausrichtung gestärkt. Die AfD (auch BSW) stellt die Westbindung und damit einen wesentlichen Teil der Staatsräson der Bundesrepublik in Frage. Im Zweifel für den Osten. Den USA zieht sie das Russland Putins als Partner vor. Hätte sie das Sagen in Deutschland, würde an der Stelle von Zusammenschlüssen der westlichen Demokratien, sei es in Form der Nato oder der EU, über kurz oder lang ein Arrangement mit den Diktaturen in Moskau und Peking treten. Kein vernünftig denkender Mensch kann dies wollen.
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