Staatsverschuldung: Italien auf Rang 2 - am 15. Juni 2024


Staatsverschuldung: Italien - sinkendes Vertrauen in den Staat

Die Eurokrise betritt durch die italienische Hintertür erneut die Bühne. Ein ganzes Land versucht, der morbiden Wirklichkeit seiner staatlichen Existenz durch Kreditkonsum zu entfliehen. Ausgerechnet das Land der erfolgreichen Familienunternehmen (Benetton, Barilla, Ferrero, Ferrari, Mediaset und Pirelli) besitzt eine Staatlichkeit, die von der Kreditsucht regelrecht zerfressen ist.

Die neue Ministerpräsidentin Giorgia Meloni hatte – in der Nachfolge von Mario Draghi – Sparsamkeit versprochen und ist – welche Enttäuschung – nicht besser als ihr Vorgänger. Alle Aggregate drehen tief im roten Bereich.

Die einzige Nachhaltigkeit der politischen Klasse in Italien besteht offenbar darin, die europäischen Bestrebungen, den Euro nicht zu einer zweiten Lira werden zu lassen, zu hintertreiben.

Sechs Fakten, über den Suchtpatienten Italien:

1.        Not macht erfinderisch: Die Staatsanleihe für den kleinen Mann

Um die großen Investoren an den Kapitalmärkten nicht erneut aufzuschrecken (und damit die Finanzierungskosten in die Höhe zu jagen), hat man die Staatsanleihe für den kleinen Mann erfunden. Diese bietet man ausschließlich italienischen Bürgern und Bürgerinnen an.

Akute „cash flow challenges" und „immediate cash needs" (Bloomberg) haben das Finanzministerium veranlasst, diese mit 3,3 bis 3,9% verzinsten Staatsanleihen für Kleinanleger – sogenannte BTP Valore – bereits zum vierten Mal hintereinander aufzulegen.


2.        Schrumpfender Enthusiasmus, wachsendes Misstrauen

So konnten in der vergangenen Woche 11,3 Mrd. Euro für die Regierung akquiriert werden. Verglichen mit den 18 Mrd. Euro, die im Durchschnitt der vorherigen drei Finanzierungsrunden eingesammelt wurden, zeigt sich ein nachlassendes Interesse beziehungsweise ein wachsendes Misstrauen gegenüber der Kreditwürdigkeit des Staates.

Die Bloomberg-Analyse: „Die Kaufzurückhaltung zeigt, wie sich der Rückhalt für den zweitgrößten Schuldnerstaat in Europa (nach Griechenland) verdüstert."

3.        Beschleunigter Geldhunger

Italien hatte bei der Einführung des Euro im Jahr 1999 eine Staatsverschuldung von etwa 1,1 Billionen Euro. Bis zum Jahr 2020 stieg diese auf circa 2,6 Billionen Euro an. Das Ende der Weichwährung Lira wurde also nicht zu einem ordnungspolitischen Neuanfang, sondern zu einem beschleunigten Weiter-So genutzt.

Italien ging – nun gestützt auf die Bonität der soliden Euroländer – in die Vollen. Innerhalb eines Jahrzehnts hat sich die Staatsverschuldung um 30% erhöht und erreichte 2022 einen Stand von 2,76 Billionen Euro. Die 3-Billionen-Euro-Marke wird nach aktuellen Prognosen noch in 2024 überschritten.

4.        Zinsbelastung wird den Haushalt erdrücken

Die jährliche Zinsbelastung lag in den frühen 2000er-Jahren bei etwa 70 bis 80 Mrd. Euro. Trotz des Anstiegs der Gesamtschulden konnte Italien durch niedrige Zinsen und EZB-Interventionen die Zinslast bis 2020 auf etwa 65 bis 75 Mrd. Euro pro Jahr stabilisieren.

Doch dann kam die Inflation und rief die EZB auf den Plan: Durch die zehn Zinserhöhungen der EZB im Zeitraum von Juli 2022 bis Ende 2023 hat sich die Refinanzierung für alle Schuldner und eben auch für Italien spürbar verschlechtert.


5.        Die Italien-Lobby ist wieder aktiv

Italien kann sich auf seine Landsleute im Ausland verlassen. So führte das „whatever it takes" des früheren EZB-Präsidenten Mario Draghi dazu, dass die EZB bis heute der größte Halter von italienischen Staatsanleihen ist. Ohne diese Aufkäufe wäre der Schuldenexzess der Italiener durch die internationalen Investoren längst gestoppt worden.

Auch in anderen Organisationen verfügt Italien über eine schlagkräftige Lobby. Nach der Vorstellung des ersten OECD-Berichts über die globale Verschuldung am 7. März sprach der Direktor für Finanz- und Unternehmensangelegenheiten der OECD, Carmine Di Noia, unverzüglich seine Entwarnung aus: „Italiens Staatsverschuldung ist im Vergleich zu anderen Ländern nicht außergewöhnlich problematisch."

Di Noia lobte das Land: „Italien ist ein Land, das im Vergleich zu anderen viel mehr Schuldverschreibungen an seine Bürger verkauft. Das ist ein sehr interessanter und positiver Aspekt, der die Anlegerbasis diversifiziert."

Interessant zu wissen: Carmine Di Noia war zuvor stellvertretender Generaldirektor bei Assonime, der Vereinigung der italienischen Unternehmer. Davor hat er im Vorstand der italienischen Börse gearbeitet. Seine Aussagen sind nicht faktisch, aber dafür patriotisch.

6.        Auf die EZB kommt es an

The bigger picture: Bis 2026 werden weltweit rund 40% aller Staatsanleihen und 37% der Unternehmensanleihen zur Rückzahlung fällig. Die Folge: Zusätzliche Kreditaufnahmen zu deutlich höheren Zinssätzen. Und: Die wichtigsten Aufkäufer von Staatsanleihen, die Notenbanken, ziehen sich aus dem Markt zurück.

Das bedeutet Alarmstufe Rot für Italien: Noch heute wird ein Viertel der italienischen Staatsschulden von der EZB gehalten, weil auf dem privaten Kapitalmarkt nicht ausreichend Investoren bereit sind, in dieses Kartenhaus zu investieren.


Fazit: Ohne die fiskalische Disziplin der Deutschen – die durch die Schuldenbremse Verfassungsrang besitzt – würde die Eurozone wieder zum Spielball der Spekulanten werden. Allen, die jetzt nach enthemmter Schuldenaufnahme auch in Deutschland verlangen, zur Erinnerung: Es gibt viele Wege, seine Souveränität zu verlieren. Der Weg in den Schuldenstaat ist der sicherste.

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