Bürger verlieren letzten Rest an Privatsphäre am 15. Juli 2023

Digitaler Euro: Bürger verlieren ihre finanzielle Privatsphäre


Politiker und Notenbanker geben vor, es brauche einen digitalen Euro, der von der Zentralbank direkt an Konsumenten herausgegeben werde. Denn ein solcher sei ein moderner und gleichwertiger Ersatz für das Bargeld. Doch eigentlich ist er etwas ganz anderes. Dennoch treiben EZB und EU den digitalen Euro unbeirrt voran. Einen Nutzen für den Bürger können sie nicht nennen. Der Schaden für die Privatsphäre ist hingegen sicher.

Die Europäische Zentralbank (EZB) und die Europäische Union (EU) unternehmen in diesem Jahr beschleunigte Schritte zur Einführung des digitalen Euro. Dies ist auch deshalb beunruhigend, weil sie nicht nachvollziehbar angeben können, welchen Nutzen die digitale Zentralbankwährung (CBDC) für den Verbraucher haben soll. Unvermeidlich ist hingegen der Verlust des letzten Restes an finanzieller Privatsphäre.

Zuerst waren die Schweden, dann kam Facebooks Projekt zur Lancierung einer digitalen Währung namens Libra, und nun wälzen plötzlich rund zwei Drittel aller Zentralbanken Pläne, ihre Währung in digitaler Form direkt an Endkonsumenten auszugeben. Die EU-Kommission hat dazu einen Gesetzesvorschlag präsentiert. Argumentiert wird, die E-Krone, das E-Pfund oder der digitale Euro würden zumindest als Ergänzung für das unhandliche Bargeld gebraucht.

Der digitale Euro soll eine Alternative zu den bestehenden Formen des elektronischen Geldes bieten, die vom Privatsektor bereitgestellt werden, darunter etwa Bankkonten und Überweisungen, Kreditkarten, Debitkarten oder Bezahl-Apps. Denn diese bestehenden Formen elektronischen Geldes aus dem privaten Sektor haben das von der EZB kontrollierte Bargeld verdrängt und verdrängen es unaufhörlich weiter.

Laut einer kürzlich durchgeführten Umfrage der EZB ist die Bargeldnutzung in der Eurozone von 79% aller Kassentransaktionen im Jahr 2016 auf nur noch 59% im Jahr 2022 zurückgegangen. Der Anteil der Menschen in der Eurozone, die am liebsten mit Bargeld bezahlen, ist der Umfrage zufolge von 32% auf nur noch 22% gesunken.

Einen klaren Vorteil für den Verbraucher bringt die neue Technologie zunächst nicht, denn für den Nutzer ist die digitale Zentralbankwährung nichts weiter als nur noch eine weitere elektronische Bezahl-Option, von denen es bereits mehr als genug gibt.

Sicher, das kontaktlose Zahlen mit Karte, Bezahl-Apps wie Twint und Apple Pay und auch das Online-Banking sind so bequem, dass sie das Bargeld zumindest im Alltag allmählich in den Hintergrund drängen.

Doch gerade die erwähnten Beispiele zeigen, dass bargeldloses Zahlen für die Konsumenten auch ohne digitales Zentralbankgeld bereits bestens funktioniert, und zwar über die (Giralgeld-)Konten der Geschäftsbanken.

Facebook wollte mit Libra den Zahlungssystemen der Banken Konkurrenz machen und vor allem den grenzüberschreitenden Zahlungsverkehr beschleunigen und vergünstigen. Wenn die (Zentral-)Banken dies nicht aus der Hand geben wollen, können sie ihre nationalen Zahlungssysteme modernisieren und besser vernetzen. Dafür braucht es keinen digitalen Euro.

Der digitale Euro wäre auch kein echter Ersatz für das Bargeld. Denn Bargeld schützt die Privatsphäre. Einmal ausgegeben, wandert es von Portemonnaie zu Kasse zu Portemonnaie, ohne dabei auf ewig Spuren zu hinterlassen.

Digital wäre das zwar auch denkbar. Das elektronische Zentralbankgeld müsste dafür in elektronische Wallets geladen werden und von dort direkt weitergegeben werden können, ohne dass eine staatliche Stelle dabei dauerhaft involviert wäre und dies kontrollieren könnte. Doch angeblich um Missbrauch und Geldwäscherei vorzubeugen, sehen die Pläne der meisten Zentralbanken vor, dass die digitalen Transaktionen über eine zentrale Plattform abgewickelt würden. Sie wären damit nicht nur nachverfolgbar, sondern könnten im Prinzip auch beeinflusst werden – etwa indem der „Bargeldersatz" automatisch verzinst würde oder eben auch über die Zeit an Wert verlöre.

Die Banken wären dabei wohl höchstens noch Durchlauferhitzer und Anbieter von zusätzlichen Dienstleistungen. Das aber könnte das Finanzsystem fundamental verändern. Denn digitales Zentralbankgeld gibt es heute schon. Es ist das Geld, das die Notenbanken an die ihnen angeschlossenen Finanzinstitute (gegen Sicherheiten) vergeben oder für die Institute auf Girokonten halten. Mit den privaten Konsumenten aber hat heute nicht die Zentralbank Kontakt, das ist Aufgabe der Banken. Diese wickeln deren Finanzgeschäfte mit ihrem Buchgeld ab.

Wenn Firmen und Private direkt digitale Euro beziehen und halten können, werden private Banken zwar weiter Kredite und alle möglichen Finanzdienstleistungen anbieten können. Sie wären wohl umso gefragter, je weniger Dienste die Zentralbank im Zusammenhang mit ihrem digitalen Geld selber anbieten würde. Sicher aber würden die privaten Banken (noch) fragiler, weil Privatkunden beim Aufkommen leisester Zweifel schnell ihr Geld von Bankkonten in digitale Euro oder Pfund transferieren und damit einen Bank-Run initiieren könnten. Bankkredite würden teurer. Und für Notenbanker würde es einfacher, mit Helikoptergeld zu experimentieren, das sie digital direkt an die Haushalte verteilen könnten.


Banken sollen digitalen Euro zum Kunden bringen

Auch deshalb wird der digitale Euro in der Öffentlichkeit vor allem als möglicher Ersatz für das Bargeld gesehen. Die EZB weist entsprechende Befürchtungen vehement zurück und sagt, dass sie den digitalen Euro als Ergänzung zum Bargeld sieht und nicht als Ersatz. Sie plant, die Infrastruktur für den digitalen Euro aufzubauen und für das neue System auszugeben, das Tagesgeschäft will sie aber den Geschäftsbanken überlassen.

Die Verbraucher werden wahrscheinlich die Möglichkeit erhalten, digitale Euro über ihre Geschäftsbank und nicht direkt bei der EZB zu erwerben. Es ist unwahrscheinlich, dass der digitale Euro Zinsen abwirft, und er kann in einer separaten App der Bank gehalten werden, aber ansonsten könnte er sich kaum von regulären Bankeinlagen unterscheiden.


Banken bremsen, Politik in Erklärungsnot

Die Banken in der Eurozone betrachten den digitalen Euro nicht nur als neuen Konkurrenten, sondern geradezu als mögliche Gefahr. Die European Banking Federation (EBF) warnt vor „einem erheblichen Risiko für die Banken aufgrund der potenziellen Verlagerung erheblicher Mittel, die derzeit als Bankeinlagen gehalten werden, auf digitale Euro-Konten beziehungsweise digitale Euro-Geldbörsen".

Tatsächlich werden Bank-Runs wahrscheinlicher, wenn die Bankkunden ihre Bankguthaben jederzeit in digitale Euro transferieren können. Um dem Risiko entgegenzuwirken, erwägt die EZB, die Anzahl der digitalen Euro, die jeder Bürger halten kann, auf etwa 3.000 Euro zu begrenzen oder einen Strafzins für Guthaben über einer bestimmten Höhe einzuführen.

Zudem befürchten die Banken, dass sie die Kosten für den digitalen Euro tragen müssen, zumal die EZB erklärt hat, dass grundlegende Zahlungen mit dem digitalen Euro für den Bürger kostenlos sein sollen. Die EBF sagt, dass „staatliche Mittel zur Verfügung gestellt werden sollten, um die erforderlichen Investitionen zu unterstützen" und empfiehlt, dass Händler Gebühren für die Annahme von digitalen Euro-Zahlungen zahlen.

Bei der Eurogruppe, die sich aus den Finanzministern der Euro-Staaten zusammensetzt, ist man sich zunehmend bewusst, dass die Bürger wenig Interesse an einem digitalen Euro haben, der für sie keinen Mehrwert liefert. Die Verbraucher in der Eurozone können ja bereits mit dem Mobiltelefon oder der Geldkarte problemlos digitale Transaktionen durchführen.

Die niederländische Finanzministerin Sigrid Kaag sagte ihren Kollegen bei einem privaten Treffen im März, dass es schwierig sei, den Bürgern zu erklären, warum ein digitaler Euro notwendig sei, berichten Personen, die mit dem Treffen vertraut sind. Es sei notwendig, dass die Politiker nach außen gehen und die Vorteile der Währung erklären und greifbar machen, argumentierte sie, da das neue Projekt sonst keine Akzeptanz finden könnte.

Ich gebe zu, dass wir den Verbrauchern den Nutzen vielleicht noch nicht deutlich genug gemacht haben", sagt auch Paschal Donohoe, Präsident der Eurogruppe, gegenüber der Financial Times. „Der Wert von Konzepten wie Finanzstabilität wird manchmal nur in ihrer Abwesenheit verstanden", so der Ire. Wenn die Entscheidung getroffen werde, in die Realisierungsphase einzutreten, müsse mehr getan werden, um es den Verbrauchern zu erklären.

Digitaler Euro - ein „Big Brother"?

Doch möglicherweise bedarf erst einer veritablen Krise, damit die Entscheidungsträger bei den Zentralbanken und in der Politik die Einführung digitaler Zentralbankwährungen glaubhaft rechtfertigen können - oder damit die Einführung der digitalen Zentralbankwährungen weniger der Kritik ausgesetzt ist, da im Krisenfall andere Probleme dringender erscheinen.

Die EU-Kommission bereitet derzeit einen Gesetzesentwurf vor, der den rechtlichen Rahmen für den digitalen Euro bilden soll. Zu den offenen Fragen, mit denen sich die Eurokraten auseinandersetzen, gehört die Frage, wie Obergrenzen für digitale Euro-Konten festgeschrieben werden können. Eine weitere Frage ist, wie die Bedenken bezüglich des Datenschutzes, die mit dem Konzept einhergehen, angegangen werden können.

Mairead McGuinness, EU-Kommissarin für Finanzdienstleistungen, hat betont, dass der digitale Euro kein „Big Brother"-Projekt sein soll. Offiziell heißt es, die Haushalte gäben durch die Nutzung ihrer Mobiltelefone und Apps bereits weitaus mehr Privatsphäre an private Tech-Giganten ab. Die Minister sind sich jedoch des Risikos bewusst, dass das Projekt durch den Eindruck getrübt werden könnte, dass die Regierung die Ausgaben der Haushalte ausspäht.

Die EZB will den Befürchtungen in Bezug auf den Schutz der Privatsphäre dadurch begegnen, dass die Identität der Nutzer von den Zahlungsdaten getrennt bleibt, sofern kein Verdacht auf kriminelle Aktivitäten besteht. „Wir werden das System so gestalten, dass wir nicht nachverfolgen können, ob Sie beim Bäcker waren oder was auch immer", sagte kürzlich Evelien Witlox, Leiterin des digitalen Euro-Projekts bei der EZB.

Digitale Zentralbankwährungen haben sich längst über die ganze Welt verbreitet. In einer Handvoll Staaten gibt es bereits voll funktionsfähige CBDCs für den Einzelhandel, darunter Nigeria, Jamaika und die Bahamas. Zudem gibt es nach Angaben der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) in 34 Ländern Pilotprojekte für den Groß- oder für den Einzelhandel.

Das am meisten beobachtete Projekt in diesem Bereich ist der digitale Renminbi. Die chinesische Zentralbank hat die Zahl der laufenden Pilotprojekte zuletzt erhöht und beispielsweise Beamte in den sogenannten E-Yuan bezahlt. Doch die Akzeptanz ist nach wie vor gering, denn auch hier sind für den Verbraucher keine Vorteile der digitalen Währung ersichtlich.


Digitaler Euro bringt Schweden in die Defensive

Auch die schwedische Reichsbank war im Hinblick auf digitale Zentralbankwährungen ein Vorreiter. Bereits im Jahr 2017 startete sie ihr E-Krona-Projekt. In Schweden hat man sich schneller vom Bargeld verabschiedet als anderswo in der Welt. Nach Angaben der Riksbank nutzt es nur noch ein Drittel der Bevölkerung regelmäßig, obwohl es 2016 noch fast 80% waren.

Dennoch kam ein von der schwedischen Regierung beauftrage Untersuchung im März dieses Jahres zu dem Schluss, dass er „derzeit kein ausreichendes gesellschaftliches Bedürfnis" für eine E-Krona sieht. Einziges Argument für die Fortsetzung der Arbeiten an der digitalen Zentralbankwährung in Schweden seien die starken Verbindungen des Landes zur Eurozone.

Denn ein digitaler Euro „könnte längerfristig dazu führen, dass der Euro in Schweden in größerem Umfang für Zahlungen verwendet wird", heißt es im Untersuchungsbericht. Dies „könnte die Geldpolitik weniger effektiv machen" und Risiken für die Finanzstabilität schaffen. Dementsprechend wurde die Riksbank angewiesen, die Angelegenheit weiter zu prüfen und im nächsten Jahr einen Vorschlag für die Einführung einer E-Krona vorzulegen.


Das drohende Ende des Bargelds

Sicherlich kann digitales Zentralbankgeld nicht mit dem Bargeld konkurrieren, sondern nur mit dem Bankkonto und der Geldkarte, auch wenn er dem Verbrauchen keinen ersichtlichen Nutzen bieten kann. „Das Ziel ist nicht, einen großen Marktanteil zu gewinnen", sagte das Mitglied des Direktoriums der EZB Panetta. „Wir wollen nicht marktbeherrschend werden oder die Banken herausfordern. Wenn der digitale Euro zu einer vertrauten Zahlungsoption für die Europäer wird, ist das für mich in Ordnung."

Doch auch wenn der digitale Euro nicht mit dem Bargeld konkurrieren kann, dessen klarer Vorteil seine finanzielle Privatsphäre ist, so kann er es doch ersetzen. Erst der digitale Euro ermöglicht eine relativ reibungslose Abschaffung des Bargelds und somit den Übergang zu einem rein elektronischen Geldsystem. Denn digitaler Euro und Bargeld sind beide Formen von Zentralbankgeld - anders als etwa das Geld auf dem Konto - und können gegeneinander ausgewechselt werden.

Mit der Umstellung vom Bargeld auf „digitales Bargeld" vollzieht das Zentralbanksystem lediglich den Schritt in das Zeitalter des elektronischen Bezahlens. Damit einher geht das Ende der Privatsphäre beim Bezahlen. Wie die wachsende freiwillige Nutzung elektronischer Zahlungsmittel zeigt, gibt es viele Fälle, wo den Menschen ihre Privatsphäre weniger wichtig ist. Doch was geschieht, wenn finanzielle Privatsphäre gänzlich unmöglich wird?

Fazit: Man kann den digitalen Euro für Endkunden befürworten, weil er das Insolvenzrisiko privater Finanzinstitute umgeht, das Potenzial hat, den Finanzsektor fundamental umzukrempeln, und weil er den Zentralbanken und damit dem Staat neue (Kontroll-)Instrumente in die Hand geben und wohl auch den Wettbewerb einschränken würde. Doch aus freiheitlich-marktwirtschaftlicher Perspektive sind gerade das alles schwerwiegende Gründe, auf einen digitalen Euro, einen digitalen Franken oder ein E-Pfund zu verzichten. Es braucht sie vorläufig nicht – und einen gleichwertigen Ersatz für Bargeld bieten sie sowieso nicht.

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