Turbulente Zeiten sind gut für die Demokratie – 30. März 2025


Turbulente Zeiten sind gut für die Demokratie –

Unsere Demokratie basiert auf der Idee, dass wir selbstbestimmte Individuen sind. Freie Menschen, die den Staat bilden, der sie repräsentiert – und die sich als Individuen freiwillig Regeln auferlegen, um ihre individuelle Freiheit genießen zu können.

Die Demokratie expandierte nach dem Urknall von 1989 in schwindelerregender Weise. Gerade die aktuellen turbulenten Zeiten sind gut für die Demokratie. Sie lebt, sie ist lebendiger denn je, sie ist nicht im Sinkflug.

Doch Heerscharen von „Experten" wollen das nicht wahrhaben. Sie leben davon, die Demokratie schlecht zu reden. Das Jammern über den Zustand der Demokratie ist längst eine Waffe, um Andersdenkende mundtot zu machen und so in letzter Konsequenz die Demokratie selbst einzuschränken. Die selbsternannten Retter der Volksherrschaft folgen dabei einem festen Plan.

Phase 1: Keine Parlamentsrede und kein Leitartikel kommen ohne die Warnung aus, die Demokratie sei in Gefahr. Die üblichen Verdächtigen sind Putin, Trump, Orban und die AfD. Auch der Journalismus, die Zivilgesellschaft und das Abendland seien bedroht. Besonders SPD, Grüne, Linke und sog. NGO's sehen überall nur noch „Nazis" und Rassisten, z. B. rund 10 Mio. AfD-Wähler.

Phase 2: Sobald sich der Glaube, die Demokratie sei gefährdet, durchgesetzt hat, wird diese mit juristischen, politischen und finanziellen Mitteln verteidigt. Es versteht sich von selbst, dass die Verteidigung politisch nicht neutral ist. Sie richtet sich immer gegen „rechts". Also alle, die nicht rotgrün gewählt haben, so um die 70%. Linksradikalismus und Islamismus werden ausgeblendet.

Eine Industrie von „Demokratie-Experten" untersucht den Zustand der Volksherrschaft. Fragen nach ihrer Unabhängigkeit wischt die Industrie vom Tisch: „Die Demokratie zu verteidigen, bedeutet keine parteiische Einmischung." Selbstbewusster hat kaum jemand seine Selbstermächtigung formuliert. In der Pandemie wurde „die" Wissenschaft als widerspruchsfreier Monolith behandelt. Die Politik instrumentalisierte „die" Wissenschaft für ihre Zwecke. Heute ist „die" Demokratie ein solcher Monolith, und die Industrie bestimmt, wer zu ihr gehört und wer nicht.

Phase 3: Was nicht passt, wird ausgegrenzt. Wenn das EU-Parlament Ungarn verächtlich als „elektorale Autokratie" (gewählte) taxiert, geht das in Ordnung. Wenn der US-Vizepräsident Vance Deutschland einen Mangel an Meinungsfreiheit vorwirft, kennt die Aufregung keine Grenzen. Die Schlagseite ist offenkundig. Die Musterdemokraten zeichnen sich durch zwei Eigenschaften aus: Selbstgerechtigkeit und Bigotterie.

Wenn der Staat die Zivilgesellschaft simuliert

Das beste Beispiel für den geradezu obsessiven Schutz der Verfassungsordnung, der in sein Gegenteil umschlägt, ist Deutschland. Bereits im Jahr 2010 trat dort ein Gesetz in Kraft, das die Kinderpornografie eindämmen sollte, aber zugleich weitgehende Vollmachten zur Zensur von Internet-Inhalten schuf. Die Idee, man müsse den digitalen Raum intensiv überwachen, fand hier einen frühen gesetzgeberischen Niederschlag.

Das Gesetz wurde zwar bald aufgehoben. Zu groß war die Kritik. Zu groß erschienen die Nebenwirkungen für die politische Kultur.

Die Autorin des Gesetzes, Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen, fand aber bald darauf in Brüssel die Bühne, um ihre Vorstellungen europaweit durchzusetzen. Von der Leyen erhielt damals den Spottnamen „Zensursula". Er steht repräsentativ für eine Geisteshaltung, deren Objekte austauschbar sind. Bald schon standen die Hassrede und die Gefährdung der Demokratie durch „Rechts", Internet-Konzerne und Autokraten im Zentrum.

Noch immer ist Deutschland ein Land, wo die Lenkung des Diskurses durch den Staat ausgiebig praktiziert wird. Vor der Kamera ruinierten drei niedersächsische Staatsanwälte den Ruf des Rechtsstaats, indem sie feixend erzählten, wie die Polizei Bürger aus dem Schlaf reißt, weil diese in den sozialen Netzwerken angeblich die Grenzen der Meinungsfreiheit überschritten haben.

Dies kann in Deutschland allerdings schon dann der Fall sein, wenn man einen Politiker im Internet als „Schwachkopf" tituliert. Lachend schilderten die Strafverfolger, wie die Beschlagnahme des Handys meist die größte Strafe darstelle, schwerer noch als eine hohe Geldstrafe.

Die Staatsmacht schlägt hart zu. Die politische Entsprechung ist die konstante Drohung, die AfD zu verbieten. Das Verbot der zweitstärksten Partei würde endgültig die Bekämpfung des Autoritären selbst ins Autoritäre umschlagen lassen.

Die fehlende Verhältnismäßigkeit wurde lange nicht hinterfragt – auch weil die Repression ein zweites, freundliches Gesicht besitzt: die Förderung. An vorderster Front dabei zwei Bastionen des rot-grünen Justemilieu: das Innen- und das Familienministerium mit ihren Millionen-Etats.

Ein typisches Beispiel für den Förderexzess ist die Amadeu-Antonio-Stiftung. Sie widmet sich dem Kampf gegen „Rassismus und rechte Gewalt". Für das Jahr 2023 weist sie Einnahmen von 9,5 Mio. Euro aus. Zwei Drittel sind Zuschüsse der öffentlichen Hand.

Eine NGO, die hauptsächlich durch den Staat finanziert wird, ist eines gewiss nicht mehr: eine Nichtregierungsorganisation. Sie wird unvermeidlich zum Instrument der politischen Interessen einer Regierung und der hinter ihr stehenden Parteien.

Wenn parastaatliche Organisationen eine unabhängige Zivilgesellschaft nur noch simulieren, während Parteien im Hintergrund die Fäden ziehen, ist der Protest dagegen der Notruf einer immer noch lebendigen Demokratie: Die Macht muss zurückkehren in den transparenten Raum der Parlamente, weg von der undurchsichtigen Pseudo-Zivilgesellschaft.

Die Demokratie-Industrie mit Staatsanwälten, Wissenschaftlern, Fördergremien und willigen Stiftungen ist längst zum Selbstzweck geronnen. Die Mär von der gefährdeten Demokratie perpetuiert (abwertend) sich selbst. Dabei geht es ihr so gut wie lange nicht mehr.

Nach dem Ende des Kalten Kriegs sank die Wahlbeteiligung in vielen westlichen Staaten. Die „Experten", die es schon damals reichlich gab, warnten vor einer Demokratie ohne Demokraten. Die Deutschen lernten ein neues Wort: Politikerverdrossenheit.

Bei den jüngsten Wahlen in den USA und Deutschland hingegen erreichte die Wahlbeteiligung wieder einen Hochstand. Ihre Stimme abzugeben, ist den Bürgern wichtig. Wahlen sind für sie kein überflüssiges Alibi, dem man genauso gut fernbleiben kann.

Der Grund dafür ist einfach: In Europa herrscht ein neuer kalter Krieg mit Russland. In Asien rivalisieren China und Amerika um den Platz an der Sonne. Die Epoche nach dem Kalten Krieg war eine Zeit der Windstille. Jetzt sind die großen Fragen zurückgekehrt. Nach der Windstille herrscht Sturm. Das belebt die Demokratie.

Zugleich haben die Wähler wieder echte Alternativen. Die Antworten von Rechtspopulisten, Linkspopulisten und den Parteien der Mitte unterscheiden sich markant.

Vor fünfzehn Jahren war das ganz anders. Kanzlerin Merkel war stolz darauf, dass sie den Wahlkampf in eine einschläfernde Pflichtübung verwandelt hatte. Endlich ist die Zeit des alternativlosen Einheitsbreis vorbei.

Die Demokratie ist nicht im Sinkflug. Das ist nur eine optische Täuschung, weil die Demokratie nach dem Urknall von 1989 in schwindelerregender Weise expandierte.

Ohne das Risiko des Scheiterns gibt es keine kraftvolle Demokratie

Überall in Osteuropa entstanden neue Demokratien. Verfassungsgerichte schossen aus dem Boden und verteidigten die Menschenrechte in zuvor nicht gekannter Vehemenz. Zugleich erlebte Europa mit den EU-Verträgen von Maastricht, Nizza und Lissabon einen Zentralisierungsschub. Kompetenzen wanderten von den Nationalstaaten nach Brüssel, angefangen bei der Währungsunion. In nur fünfzehn Jahren veränderte sich die europäische Demokratie stärker als in der gesamten Nachkriegszeit.

Auf den Urknall folgt jetzt die Konsolidierung. Der Erfolg nationalistischer Parteien markiert eine Gegenbewegung und ist damit ein Zeichen der Vitalität von Demokratie. Richter, Bürokraten, Diplomaten und supranationale Institutionen von der EU bis zur Uno rufen Skepsis hervor. Die Ursache ist immer dieselbe: ein Unbehagen darüber, dass die Volksrechte in einem anonymen Niemandsland verlorengehen könnten. Denn der Souverän in der Demokratie ist das Volk, nicht die Technokratie.

In der ZEIT schrieb am 11.07.2018 die Redakteurin Mariam Lau: „Stellen wir uns für zwei Minuten vor, wo Europa jetzt stünde, wenn man dem Drängen der Menschenrechtsorganisationen nach Legalisation aller Wanderungsbewegungen, ob Flucht oder Armutsmigration, nachgegeben hätte. Nach einem Europa ohne Grenzen. Eine Million, zwei Millionen, drei Millionen. Wie lange würde es wohl dauern, bis die letzte demokratische Regierung fällt?" – Das ganze grün-linke Milieu fiel wütend über sie her.

Dennoch wurde der „Globale Pakt für sichere, geordnete und reguläre Migration" im Dezember 2018 in Marokko, auch von Deutschland, unterzeichnet. Es ist kein Völkerrechtlicher Vertrag, sondern sogenannte soft laws, also Absichtserklärungen, Leitlinien. Solches internationales Soft Law verpflichtet die Staaten zunächst zu wenig, dient dann aber in der innenpolitischen Auseinandersetzung dazu, bestimmte Positionen wie eine Ausweitung des Asylrechts zu legitimieren. Es ist das Futter, von dem die Demokratie-Industrie lebt.

Im etatistischen Deutschland weckt dieselbe Kritik grundsätzliche Abwehrreflexe. So ein Fundamentalismus – die „Brandmauer" ist eine Spielart davon – lässt nur Verlierer zurück. Die einen fühlen sich ausgegrenzt und wählen erst recht AfD. Die anderen sehen durch den Zulauf für die Nationalisten die Verfassungsordnung bedroht und rufen nach noch mehr Repression und Fördermitteln für die „richtige" Denkungsart.

Mit Geld allein lassen sich Deutschlands Probleme nicht lösen

Mit der 20%-Partei AfD, für die rund 10 Mio. Wähler gestimmt haben, muss bei der Besetzung von Bundestagspräsidium und Ausschüssen fair umgegangen werden – bisher hatte die politische Konkurrenz sie ausgegrenzt, wo immer sie konnte.

Zweitens beim Ton: Mit erwachsenen Staatsbürgern ist auf Augenhöhe zu kommunizieren. Sie wollen von der Regierung weder Belehrung noch Erziehung, weder verordnete Demokratieförderung noch regierungsamtliche Gesinnungskontrolle.

Der ehemalige Bundeskanzler Olaf Scholz konnte vielleicht nichts dafür, dass er oft überheblich klang; der Demokratie hat sein herablassender Ton dennoch geschadet. Ein Kanzler Merz wird aufpassen müssen, dass er mit der „150-Prozentigkeit" seiner „festen Überzeugungen", die er oft genug am nächsten Tag im Rahmen politischer Kompromisse wieder kassieren muss, keinen ähnlich negativen Effekt erzielt. Also: Mäßigung in der Rhetorik der „festen Überzeugungen".

Drittens beim Personal: Eine reine „Expertenregierung" ist der Wunschtraum letztlich naiver Populisten; ohne politisches Handwerkszeug funktioniert keine Regierung. Aber: Ein wenig Eignung, Befähigung und Erfahrung in einem Kabinett, das die Radikalertüchtigung der deutschen Gesellschaft managen soll, wären schon wünschenswert.

Deshalb darf es diesmal nicht auf Frauenquoten, Regionalproporz oder Flügelzugehörigkeit ankommen, sondern allein auf Sachkunde, Klugheit, Erfahrung und nachgewiesene Kompetenz. Und es wäre falsch, erfolglose Parteivorsitzende wie die Sozialdemokratin Saskia Esken auch noch mit Ministerposten zu belohnen. Die deutschen Medien sollten in diesem Zusammenhang genauer als bisher hinschauen, ob ein Minister für sein Amt geeignet ist.

Viertens bei der Erfolgskontrolle: Politik ist nicht schon dann wirksam, wenn sie auf dem Papier formuliert wurde. Der Kraftakt liegt in der Umsetzung.

Schlussfolgerung: Wenn die schwarz-rote Koalition das prekär gewordene Vertrauen in die deutsche Demokratie stabilisieren will, muss sie sich zu einer brutalen Ergebnisorientierung zwingen: Indem sie dem Volk zeigt, dass es dessen Gesetze umsetzt und die Pflicht erfüllt, für seine Sicherheit zu sorgen. Indem es einen funktionierenden Staat liefert, mit friedlichen Innenstädten, stabilen Brücken, pünktlicher Bahn und einem Haushalt, der den Einzahlern zugutekommt. Das wäre der nötige Respekt gegenüber dem Souverän (Wähler).

Demokratie muss sich verändern können
, auch um den Preis ihrer Gefährdung. Wird die „richtige" Form künstlich konserviert, verdorrt die Demokratie. Sie ist dann keine lebendige Einrichtung mehr, sondern wird zum Museum eines imaginären Idealzustandes.

Wenn alle das Gleiche denken, leben wir nicht mehr in Europa, sondern in Nordkorea!

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